Satire „Lerchenberg“ im ZDF: Plötzlich cool
Diese total lässige Selbstironie. Wow. Ab Freitag läuft die Satire „Lerchenberg“ auch im ZDF-Hauptprogramm (23.00 Uhr) – und ist lustig.
Oh mein Gott – um es mit Markus Lanz’ Lieblingsworten zu sagen –, sie sind ja so cool auf einmal beim ZDF! Diese total lässige Selbstironie. Wow. Von wegen, die trauen sich nichts mehr! Von wegen Geriatrie und Quotendruck! Carmen Nebel muss um ihren Job bangen, und stattdessen bringen sie jetzt das: „Lerchenberg“.
Der Arzt-Darsteller Sascha Hehn (Dr. Udo Brinkmann, Dr. Markus Merthin, Dr. Niklas Sander) spielt den Arztdarsteller Sascha Hehn. So eine verkopfte Film-im-Film-Geschichte für intellektuelle Quatschköpfe also, voll abgedreht. „Seinfeld“ lässt grüßen. Von wegen, das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland hat den Anschluss an die amerikanischen Qualitätsserien verpasst!
Was man an Felix Binders (Regisseur, Koautor) „Lerchenberg“ vor allem sehen kann: dass die am ZDF-Programm und dessen Entwicklung unter den Bedingungen des dualen Rundfunksystems geäußerte Kritik doch nicht einfach nur so abprallt. Oder dass man jedenfalls so tut, als würde sie das nicht.
Und darüber hinaus ist die Sendung tatsächlich ganz lustig. Wir wollen jedenfalls hoffen, dass der echte Sascha Hehn keine solchen Motto-T-Shirts trägt: „Als Gott mich schuf, wollte er angeben!“ Gleichwohl es sich seine Verächter sicher genau so immer schon ausgemalt haben. Wir, die wir nicht zu den Verächtern zählen, wollen auch hoffen, dass der echte Sascha Hehn – von dem wir lange nichts gehört haben, ganz ohne ihn je vermisst zu haben – nicht ganz so abgehalftert ist wie der gespielte Sascha Hehn und nicht in Kapitänsuniform Küchenstudioküchen an die Frau bringen muss (im „Traumschiff“ hat er ja bereits mal die erstaunliche Karriere vom Chefsteward zum Kapitän hingelegt).
„Meine Güte, Sibylle!"
Hehns blonde Föhnfrisur ist jedenfalls weg, die Automarke bleibt dieselbe wie seinerzeit in der „Schwarzwaldklinik“. Nur ist es kein weißes Cabrio mehr, in das sich der Endfünfziger als um die Dreißigjähriger stets hineinschwang, ohne die Tür zu öffnen. Stattdessen parkt er einen Behinderten so zu, dass der seine Tür nicht öffnen kann. Dummerweise handelt es sich um den Autor des Films, der Hehns Comeback sein sollte.
„Lerchenberg“, auf vier Teile angelegt, hat ein paar schöne Details: Da läuft der altbekannte Vorspann von „Ein Fall für zwei“ – aber mit Hehn anstelle von Claus Theo Gärtner. Leider ist dem neuen Projekt an der Seite von Wayne Carpendale (!) auch keine Zukunft beschieden. Der jetzige Redaktionsleiter für den gesamten Serienbereich (Stephan Kampwirth) hat einmal als Laufbursche bei der „Schwarzwaldklinik“ angefangen. Hehn hatte damals was mit seiner Freundin und seiner Mutter: „Meine Güte, Sibylle, das waren die Achtziger!“
Arztschauspieler spielt Arztschauspieler
Sibylle („Billie“, Eva Löbau) ist die Jungredakteurin mit dem neuen, anspruchsvollen TV-Projekt, das sie bald dank Sascha Hehn an die Volontärin verliert. Was Sybille bleibt, ist Sascha Hehn. Denn ihre Chefin, mit der Hehn auch mal was hatte, will ihn irgendwo beim Sender untergebracht sehen. Billie muss das ihren Kollegen im ZDF-Sendezentrum „Lerchenberg“ erklären: „Man könnte es ja auch so sehen, Sascha Hehn ist doch eigentlich die perfekte Vorlage für eine ironische Anspielung an das überalterte ZDF. Ein ausgedienter Arztschauspieler aus einer verstaubten Krankenhausserie spielt in unserem Film einen zynischen und abgehalfterten Arzt“(-Schauspieler).
Das ZDF ist von der aufgeklärten Abgebrühtheit seines Publikums also doch nicht ganz so überzeugt und meint, die Lesart explizit vorgeben zu müssen, zur Sicherheit. Kann ja nicht schaden. Oder das ZDF ironisiert hier gleich schon wieder das eigene Sendungskonzept. Oh mein Gott – um es mit Markus Lanz’ Lieblingsworten zu sagen.
Aber tatsächlich ganz lustig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren