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Sascha Lobo über Anti-Merkel-Demo„Nicht alle sind so radikal“

Bei einer „Merkel muss weg“-Demo wurde Sascha Lobo beschimpft und beleidigt. Eine Diskussion war in Teilen aber dennoch möglich, sagt der Blogger und Buchautor.

„Ich habe niemandem Bescheid gesagt, keine Presse bestellt und selbst nichts veröffentlicht“ Foto: dpa
Cornelius Oettle
Interview von Cornelius Oettle

taz: Herr Lobo, in einem häufig geteilten Videoclip sieht man, wie Sie bei einer „Merkel muss weg“-Demo beschimpft und beleidigt werden. Zu Wort kommen lässt man Sie nicht. Die „Welt“ berichtete gar, man habe Sie „vertrieben“. Auf Facebook haben Sie einige Punkte des Artikels richtiggestellt. Wurde der Tag aus Ihrer Sicht verzerrt wiedergegeben?

Sascha Lobo: Jein! Auch wenn Axel Springer, um es vorsichtig auszudrücken, nicht mein Lieblingsverlag ist: Ich möchte dem Welt-Kollegen keine Vorwürfe machen. Aus seiner Sicht sah das Ganze sicher so aus, wie er es beschrieben hat. Ein paar Details waren aber nicht hundertprozentig stimmig. Ich wurde etwa nicht mit Bier, sondern mit Wasser bespritzt. Dieser kurze Ausschnitt zeichnet ein anderes Bild als die zwei Stunden, in denen ich dort war.

Sie selbst schrieben, Sie hätten mit ungefähr 20 Leuten Gespräche geführt, „und zwar durchaus sehr interessante Gespräche“. Was sagen die denn?

Die Leute haben versucht, zu erklären, dass sie eigentlich gar nicht so rechts seien, wie sie oft dargestellt werden. Ich hatte auch den Eindruck, dass da der Wunsch existiert, loszuwerden, was man auf dem Herzen hat – unabhängig davon, ob das jetzt klug oder richtig ist. Was ich gelernt habe: Nicht alle sind so radikal wie ein paar der Fahnenträger, denen man schon ansieht, dass ein Dialog nicht lohnt. Neben diesen Menschen, die ich wegen ihrer Gewaltbereitschaft für gefährlich halte, gibt es dort auch welche, die man erreichen und mit denen man in Teilen sogar diskutieren kann. Ob das was bringt, versuche ich gerade herauszufinden.

Und welcher Demonstrantentypus überwiegt? Der blödgesoffene Brüllaffe oder der diskussionsbereite Rechte?

Bei dieser Demonstration im Speziellen kann ich das nicht genau sagen. Wenn man am Rand steht, ist das nicht so leicht einzuschätzen. Wer lauter ist, ist eindeutig. Wer das Bild prägt, auch. Meine These ist trotzdem, dass diejenigen überwiegen, die nicht rechtsextrem sind, sondern bloß viel zu wenig Probleme mit Rechtsextremen haben. Zumindest hoffe ich das.

Die laufen aber trotzdem Seite an Seite mit den Bekloppten.

Ich glaube, dass viele das herunterspielen und denken „Ach, da schwenkt halt jemand 'ne komische Fahne und schreit merkwürdige Parolen“ – das sind die, die man erreichen muss. Ich mache das ja nicht, weil ich wahnsinnig Bock drauf habe, mich zwischen Nazis zu stellen. Und sicherlich mache ich das auch nicht aus PR-Gründen, wie manchmal vermutet wird – ich kenne klügere Arten, um in den Medien stattzufinden.

Werbewirksam war Ihr Auftritt aber schon.

Ja, ich wollte das aber gar nicht. Ich habe niemandem Bescheid gesagt, keine Presse bestellt und selbst nichts veröffentlicht. Über den Film, für den ich dort recherchiert habe, kann ich ohnehin noch nichts verraten.

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5 Kommentare

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  • Lobo wirkt hier nicht zum ersten mal komplett naiv.

    Dass Pegida und der "Merkelmussweg"-Aufmarsch seit ca. zwei Jahren eindeutig rechte Demos mit immer eindeutigeren Symbolen sind, sollte auch dem - m.E. überschätzten - Blogger mittlerweile auffallen.

    So Anfang 2015 hätte Lobos naives "Reinschnuppern" noch Sinn gemacht. Heute jedoch nicht mehr.

  • Ach der Sascha Lobo, der auf eine Demo geht mit Kamera und Mikro und nur die andere Seite verstehen will. Wenn er sie verstehen wollte hätte er das auch ohne die Kamera tun können. So kommt er nur rüber, als bräuchte er wieder etwas Aufmerksamkeit.

  • Wer mitläuft ist ein Mitläufer, dieses ewige Differenzieren in Nazis und jenen, die offenkundigen Nazis hinterherlaufen, aber ja gar nicht so rechts sind, was soll das denn bitte an analytischem oder demokratischen Mehrwert bringen? Wer Merkel nicht will, soll wählen gehen oder eine eigene Demo anmelden und nicht hinter Naziköppen herlaufen. Wollen wir denn ernsthaft anfangen zu fragen ob jeder, der auf einer NPD-Demo mitläuft auch ein Nazi ist, jedes NPD-Mitglied rechtsextrem, usw.

    • @Marc Lehmann:

      Ja, genau! Differenzieren verbrennt bloß Kalorien via Hirnaktivität. Was das wieder kostet, bis man das mit Müsli wieder aufgefuttert hat! Und zum Schluß spaltet es evtl. auch noch die Rechten in sich gegenseitig "bekriegende" Gruppen und Grüppchen auf. So nen völlig wirren Salat hatten wir doch in den 70ern mit den maoistischen K-Gruppen. Da hat dann zum Schluß keiner mehr durchgeblickt, am allerwenigsten die Betroffenen selber. Nee, sowas wollen wir den Rechten echt nicht antun. Das wäre nun echt kein fair-play mehr, gell.

    • @Marc Lehmann:

      @Marc Lehmann,

      auf jeden Fall sollte ma dort differenzieren! Nicht alle auf linken Demos sind Antifa oder gar autonomer Block. Und genauso sind nicht alle auf rechten Demos Nazis.

      Die, die mobilisieren sind immer die radikaleren als die Mobilisierten. Und wenn wir keine tiefere Spaltung unserer Gesellschaft in links und rechts wollen, dann müssen wir mit den Leuten sprechen, mit denen es noch geht.