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SanssouciVorschlag

■ Bilder von Bernard Frize in der DAAD-Galerie

Manche Bilder sind weder Fenster zur Welt noch Spiegel derer, die hinausschauen; und mitunter steht selbst der Produzent noch verdutzt davor. Auf eigentümliche Weise antimalerisch läßt sich auch Bernard Frize von seiner Malerei überraschen. Anfang der achtziger Jahre entdeckt der Franzose zwei unterschiedliche Verfahren, unter die von Informel bis Pop-art heiliggesprochene Oberfläche der abstrakten Malerei zu dringen: Mit einer Messerklinge schürft Frize sich durch bereits aufgetrocknete, zentimeterdicke monochrome Farbschichten und legt so die einzelnen Auftragungen wieder frei. Als die andere Variante löst er gehärtete Lackschichten aus Farbtöpfen und collagiert diese Farbhäute zu losen Pattern auf der Leinwand, wobei mit dem Material die Form entsteht. Eine schmale Kluft trennt Farbe und Farbigkeit. Das Material ist dabei selbst schon gemaltes Fundstück und im Prinzip dem Ready-made ähnlich.

Seit den ersten Versuchen mit der Textur von Lack und Leinwand hat sich das Oeuvre von Frize zwar vervielfältigt, aber kaum erweitert. Teilweise weichen die zerklüfteten Brüche einem total geglätteten Finish, dann wieder scheinen unzählige Farbtöne sich unverbunden nebeneinanderher zu bewegen, als wäre der Maler beim Mischen an der Substanz gescheitert – auch wenn man im marmorierten Bildchaos wenigstens ein paar psychedelische Apfelmännchen auszumachen meint. Aber das ist nur Einbildung: Bernard Frize will weder zeigen noch erzählen. Selbst das Verlöschen von Farbe auf einem Bild mit dem Titel „Amst No. 3“ (1986) – vom leuchtenden Rot des eingetauchten Pinsels bis zum verschwindenden rosa Schleier am Ende der Spur – wird durch kein Strukturprinzip zum Abbild etwa einer Idee der Vergänglichkeit erhoben, sondern bleibt prozeßhaft. Der Maler verfolgt die Spur seiner Arbeit, bis sie zuletzt im Material aufgeht. Vielleicht wirkt das Ganze billig oder gar ein bißchen stumpf, sicher aber verhält sich Frize zur Malerei im 20. Jahrhundert und ihrer Forderung nach permanentem Bruch mit der Tradition (der gerade aufgrund der unentwegten Selbstbefragung im Einklang mit der Geschichte bleiben muß) ironisch.

Neuere Arbeiten nun bilden wieder Synthesen. Auf anthrazitgrauem Acryl sind hervorstechende Pinselborsten hängengeblieben, während von der Seite betrachtet die Tafel aus einer Vielzahl wechselnd feiner schwarzweißer Schichten besteht. Die nachlässig behandelte Oberfläche verhält sich zu den Mühen in der Tiefe gegenläufig. Eine zweite Tafel in Ocker kehrt den Bildraum um. „Spugna“, 1990/93, wurde zum Trocknen mit der bemalten Fläche nach unten gehängt, so daß sich dicke Lacknasen gebildet haben, die nun wie regelmäßige Tropfsteinfiguren aus der Fläche reliefartig in den Vordergrund treten. Auch hier sind die Tropfen nur Ausformungen des Materials, dessen Bändigung immer schon erster Auftrag der Malerei war. Für Frize ist selbst Monochromie eine Illusion. Harald Fricke

Bis zum 17.4., Kurfürstenstraße, täglich 12.30–19 Uhr.

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