piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Freie Berliner Kunst- ausstellung, Spot 2: Martin v. Ostrowski

Es ist kein schönes Bild, das Martin von Ostrowski da gemalt hat. Die Szene ist so drastisch, daß sich eine ausführliche Beschreibung des 2,50 mal 1,70 Meter großen Gemäldes eigentlich erübrigt. Ein Mann wird vergewaltigt – zwei Folterknechte in Uniform halten ihn, ein Dritter steht in unmißverständlicher Position dahinter. Gewalt, panische Angst und körperlicher Schmerz, hier sind sie eine untrennbare Einheit, das Motiv spricht von nichts anderem als von Brutalität in reiner Form.

Aber es gibt auch eine gewisse Unsicherheit in diesem Bild. So weiß man nicht genau, ob der dritte Mann (der wie sein Opfer nackte Vergewaltiger) das, was er tut, freiwillig tut, oder ob er, beispielsweise als Häftling eines Gefangenenlagers, von seinen Aufsehern dazu gezwungen wurde. Vielleicht ist es diese Irritation, die dieses Bild vor Klischee und Belanglosigkeit bewahrt. Vielleicht ist es die Wahl des Ausschnitts. Wer kann schon mit Bestimmtheit sagen, wodurch sich ein Bild letztendlich von der Masse der Bilder abhebt. Jedenfalls vereint der 35jährige Ostrowski zeitgenössische Direktheit mit dem, was früher die Maler groß werden ließ: Dramaturgie, Komposition, Kolorit. Gleichzeitig ist Ostrowskis Gemälde deutlich. Deutlich dissident, hart, unerträglich. Der Amerikaner Edward Kienholz hat einmal ein vergleichbares Kunstwerk gemacht: eine Skulpturengruppe, für die das Foto der Kastration eines Schwarzen durch den weißen Mob in Alabama als Vorlage diente. Wer diese Arbeit je sah, und das gleiche gilt für Ostrowskis „Vergewaltigung I“, hat sie immer wieder vor Augen. Ulrich Clewing

Abbildung: Katalog

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen