Sanssouci: Nachschlag
■ Junko Ueda und Will Offermann im Institut Unzeit
Halb Charlottenburg versank am Sonntag in einem akustischen Großereignis – dem Avus-Rennen –, dessen musikalischer Minimalismus bisher noch unrezensiert blieb. Von der Nordkurve aus in die anschwellenden hochtourigen Klänge der Motoren hineingezogen werden, den maximalen Geräuschpegel genießen, wenn die Autos heulend vorbeirasen und ihrem leiser werdenden Pfeifen folgen, wenn sie verschwinden! Crescendo ist Beschleunigung, Komposition ist das zeitversetzte Vorbeirasen mehrerer Vehikel, Karambolagen sind Pausen, der Applaus von den Rängen vervollständigt die Sinfonie des Begehrens. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – schließlich gibt es den Sound der Formel 1 heute schon auf CD!
Kurz nach dem Avus-Spektakel erspielten sich Junko Ueda an der Biwa, einer japanischen Laute, und Will Offermanns auf der Flöte im „Institut Unzeit“ die Synthese der Geräuschhaftigkeit vom anderen Ende der Stadt. Es gibt keinen richtigen und keinen falschen Ton. Die Querflöte erreicht die Frequenz eines intakten Motors und geht darüber hinaus. „Ich spiele meinen eigenen Atem“, sagt Offermann und andere halten ihn an, wenn sie zuhören. Auch er hat eine Vorliebe für Töne, die von weit her kommen, die immer stärker anschwellen, sich mit parallelen Klängen überlagern und langsam verschwinden.
Gelegentlich gibt es ein harmonisches Fragment, das wie ein Happy-End wirkt. Nicht so bei Junko Ueda auf der Biwa. Schon die Konstruktion des Instruments verhindert klare Töne, da es keine fest gesetzten Endpunkte der Saiten gibt. Mit dem Bachi, einem überdimensionalen Plektrum aus Holz werden die Saiten geschlagen und gekratzt. Eigentlich ist die Biwa ein traditionelles Instrument, Junko Ueda aber spielt es, weil seine Disharmonie moderne Sounds ermöglicht. Es klingt wie ein Isolierband, das abgezogen wird, klingt wie Motorhauben, die zugeschlagen werden, klingt wie ein defekter Auspuff. Geräusche werden kombiniert und so zu ihrem jeweiligen Echo, ohne daß gefragt wird, was Musik überhaupt ausmacht. Natürlich ist es die Absicht der beiden Interpreten, westliche und östliche Musik zusammenzubringen, wobei der Europäer für die Harmonie zuständig ist. Wunder oder Hörgewohnheit? Waltraud Schwab
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