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SanssouciNachschlag

■ Nachkriegsballett

Uraufführung in der Deutschen Oper: Ballettdirektor Ray Barra präsentiert „Wiederkehr“, eine „Elegie“ zu der Musik von Sergej Rachmaninoff. Der Titel deutet es schon an, noch mehr die Untergliederung in „Erinnern“, „Erwarten“, „Zuversehen“: der Choreograph möchte allegorische Bilder auf die Bühne bringen. Doch das mißlingt ihm gründlich. Die Aktionen sind einfach strukturiert, die Pantomime ist bedeutungsschwanger – letztlich folgt man einem Handlungsballett. Und die Geschichte geht dann ungefähr so: Die Männer sind beim Militär und, der Titel „Wiederkehr“ legt es nahe, der Krieg ist aus, und es geht jetzt nach Haus. Aber wie die Männer so sind, einerseits wollen sie, andererseits nicht. Denn die Männerwelt des Militärs ist zwar keine anständige, aber doch irgendwie eine schöne Sache, zumindest nach Auffassung von Herrn Barra. Alles saubere, wunderbar anzuschauende und im Grunde gute Kerle. Selbst der Oberst entledigt sich am Ende freiwillig seines Uniformhemdes.

Während die Männer also ihre seelischen Kämpfe austragen, warten die Frauen derweil in einer Art Mädchenpensionat, deren Vorsteherin die Ballerina Christine Camillo ist. Das ist der zweite Teil des Stücks, und weil Christine Camillo ein weißes Kleid trägt, wissen wir: Am Ende wird alles gut. Aber erst einmal sitzen die Mädels zart hingegossen auf dem Boden, fassen sich manchmal sanft an die Arme und lassen die Köpfchen hängen. Doch da naht auch schon der Retter Alexej Dubinin. Eines muß man Ray Barra lassen: die Pas de deux hat er wirklich gut choreographiert. Am Ende ist alles gut. Die Damen und Herren des Balletts tanzen innig vereint über die Bühne, nur Raffella Renzi muß weiterhin traurig sein.

Eine weniger naive Weltsicht präsentiert der zweite Teil des Abends, Kurt Joos' Klassiker „Der grüne Tisch“. 1932 in Paris uraufgeführt, entstand das Tanzstück vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Weimarer Republik und der sich abzeichnenden Machtergreifung Hitlers. Ein Antikriegsstück. Der „Totentanz in acht Bildern“, seit 1977 im Repertoire der Deutschen Oper, wurde jetzt von Anna Markard, der Tochter von Kurt Joos, neu einstudiert. Mag das Stück auch inzwischen reichlich historisch wirken – trotz seines Alters ist es politisch klüger und brisanter als die Zeitkommentare des Herrn Ballettdirektors Barra. Michaela Schlagenwerth

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