Sanssouci: Vorschlag
■ Poetisch-ausdauernde Monotonie: Stereolab im Knaack
Kurz bevor die obligat angesagten Blur, Oasis und Black Grape die blau-weiß-roten Brüste schwellen lassen, darf man heute abend sein Ohrenmerk auf Stereolab richten, eine Band, die am Rande des Brit-Pop-Booms schon seit einiger Zeit ihr eigenes kleines Sound-Universum errichtet hat. Stereolab bestehen im Kern aus der in Paris geborenen Laetitia Sadier sowie Tim Gane, einem ehemaligen Mitglied der Band McCarthy, einer Mittachtziger-Gitarrenpop-Combo, die zwar den belgischen Maler Frans Hals und „Banking, Violence And The Inner City Life Today“ zusammendachte, ansonsten aber musikalisch nur Fußnoten für Englands Pop-Geschichte produzierte. Gane hatte neben seiner Liebe fürs Gitarrespielen auch immer ein Faible für alte Moog-Synthesizer, was bei Stereolab nun ausgiebigst zum Soundhalten kommt. So bummelt und orgelt und schmiert es auf ihren Alben, unterstützt von dem üblichen Line-Up und dem hellen Gesang von Laetitia Sadier. Ihre französischen Lautmalereien sorgen für Federleichtigkeit und Zuckersüße.
Ein anderes Hauptcharakteristikum der Stücke ist die oft lange Distanz, die sie zurücklegen müssen, wobei nicht Vielschichtigkeit und Poesie dominieren, sondern eine ausdauernde Monotonie, die nur minimale Veränderungen zuläßt und aus der man schließlich Energie und neues Zeiterleben ziehen soll. Meisterstück in dieser Hinsicht ist bisher der Song „Jenny Ondioline“ von ihrer 93er-Platte „Transient Random-Noise Bursts With Announcements“ (!), ein 18-Minuten-Wurm in drei verschiedenen Episoden. Aufregend findet Gane diese minutenlangen Riffs, das ist für ihn Ambientsound, und gespannt darf man demnächst auf die Stereolabsche Songversion eines 17 Minuten dauernden Status-Quo-Riffs warten. In England werden Stereolab als die wahren Popfuturisten abgefeiert, und das nicht, weil sie nichts mit Vergangenheit zu tun haben wollen – Easy Listening, Kraftwerk, Beach Boys und andere werden gebetsmühlenartig als Einflüsse genannt – sondern weil sie, anders als Blur oder Oasis, nicht nur Aufgüsse machen wollen. Lieber aus altem Schrott ganz neuen Edelschrott produzieren und völlig losgelöst durch die Neunziger schwirren. Gerrit Bartels
Morgen, 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße, Prenzlauer Berg.
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