Sanssouci: Nachschlag
■ Architekturmodelle der Renaissance im Alten Museum
Holzmodell von Baccio d'Angelo für Florenz Abb.: Katalog
Das hatte er nun davon. Sieben Jahre lang konzentrierte sich Antonio da Sangallo, seit 1516 Leiter der größten Baustelle des christlichen Abendlandes am Petersdom in Rom, die Arbeit an einem ausgefeilten Modell. Am Modell befriedigte er den Raumhunger der auf Privataudienzen versessenen Kleriker und gab technische Problemlösungen in einer Perfektion vor, daß nun Handwerker allein die Bauausführung übernehmen konnten. So glaubte er kurz vor seinem Tod die schon Jahrzehnte währende Baugeschichte vollendet zu haben. Der gigantische Holzdom wurde sein Vermächtnis – und zugleich Dokument seines Scheiterns. Denn sein Nachfolger Michelangelo fegte Sangallos Entwurf polemisch beiseite. Schon am Modell zeige sich die Verschachtelung der Räume, die dunkle Winkel für Falschmünzer und die Verführung von Nonnen biete. Michelangelo setzte sich mit einem reduzierten, großteiligen Raumprogramm durch.
Sangallos Petersdom markiert den Höhepunkt der Ausstellung „Architekturmodelle der Renaissance“. Dem Liebhaber der Renaissance bietet sie mit Zeichnungen, perspektivischen Gemälden und den Modellen eine Wiederbegegnung mit prominenten Bauten in Florenz und Rom.
Die oft zerlegbaren Modelle liefern die Anatomie einer Architektur, der die Idealität der Proportionen als Garant für die harmonische Balance der Gesellschaft galt. Die Aktualität der hölzernen Städte, die jedes Bastlerherz höher schlagen lassen, liegt in ihrer politischen Funktionalisierung. Denn während die Architekten das dreidimensionale Medium nutzten, um Maße zu überprüfen und technische Innovationen – wie den Bau einer Kuppel ohne innere Stützen – zu demonstrieren, erkannten die Bauherrn seinen Wert als Instrument der Imagepflege. Sie bevorzugten das detaillierte Miniaturbauwerk; die Baumeister hingegen legten auf die Betonung der Hauptlinien Wert.
Konkurrierende Fassadenentwürfe für den Dom von Florenz belegen die Modellkonjunktur bei Wettbewerben. Mit ihrer Konkretion verführen sie den Laien, der Grund- und Aufrisse nicht zu lesen gelernt hat. Heute übernimmt die Computeranimation diese rhetorische Aufgabe. Doch daß die dreidimensionale Vorwegnahme der Ausführung kein Garant für die gebaute Wirklichkeit ist, erzählen die schönen Renaissance-Modelle, die nur in Ausnahmen wie geplant realisiert wurden. Katrin Bettina Müller
Bis 7.1., Di.–So. 9–17 Uhr, Sa. 9–20 Uhr, Altes Museum, Unter den Linden (am Lustgarten), Mitte
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