Sanierung im Verzug: Erstklässler auf der Baustelle
Wachsende Kinderzahlen zwingen Bezirke, geschlossene Schulen wieder zu öffnen. In Friedrichshain beschweren sich Eltern, weil die Sanierung nicht rechtzeitig fertig wird.
Eigentlich, sagt Sinaida Rohland, hätte sie es schön gefunden, wenn ihr Sohn in eine Grundschule gleich um die Ecke geht. Doch ihre Bereitschaft, sich mit dem vom Schulamt Friedrichshain-Kreuzberg zugewiesenen Schulplatz für den baldigen Erstklässler abzufinden, nahm rapide ab, als sie die künftige Grundschule ihres Sohnes sah. Denn die sei "ein Trümmerfeld", es herrschten "Nachkriegsbedingungen", dort einen Grundschulbetrieb zu planen sei "eine Respektlosigkeit gegenüber den Kindern", ärgert Rohland sich.
Die Grundschule an der Scharnweberstraße im Boxhagener Kiez in Friedrichshain, an der Rohlands Sohn in einer Woche das Lernen lernen soll, ist derzeit eine große Baustelle. Das Schulgebäude ist eingerüstet, hohe Betonsilos stehen vor der Tür, der Schulhof ist teils aufgebaggert, teils vollgestellt und gesperrt. Dennoch will das Bezirksamt dort den Schulbetrieb mit zwei ersten Klassen zum neuen Schuljahr aufnehmen.
Grit Nitzsche, Schulplanerin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, verteidigt den Plan: Architekt und Bauherr hätten ihr versichert, dass zum Schulbeginn die Räumlichkeiten für die zwei ersten Klassen fertig seien. Auch ein abgegrenzter Bereich auf dem Schulhof solle den Kindern zur Verfügung stehen. "Der Rest des Gebäudes und des Hofs wird abgesperrt", erklärt Nitzsche. Die weiteren Bauarbeiten sollen dann nur noch außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden.
Rohland findet das trotzdem eine Zumutung für die Schulanfänger: "Das sind Fünf- und Sechsjährige mit starkem Bewegungsdrang!" Für die biete die Baustelle nicht nur zu wenig Platz, sondern zudem viele Gefahren, fürchtet sie. Es fehlten Räume für den Schulsport, selbst das Mittagessen müssten die Kinder im Klassenraum einnehmen. "Sogar die Einschulungsfeier für unsere Kinder kann nicht in deren künftiger Grundschule stattfinden", ärgert die Mutter sich. Das wünsche man sich für Schulanfänger anders.
Eigentlich haben die Rohlands ihren Sohn an der Baustellengrundschule auch gar nicht selbst angemeldet. Er sollte zu einer montessoriorientierten Grundschule im Prenzlauer Berg gehen, die schon seine beiden älteren Geschwister besucht haben. Doch die wachsende Zahl von Schulanfängern in Pankow machte dem Plan einen Strich durch die Rechnung: Die Schule in dem kinderreichen Bezirk ist zu voll, um noch Erstklässler aus anderen Bezirken aufzunehmen.
Nun werden die Rohlands auch in ihrem Wohnbezirk Friedrichshain Opfer von dessen wachsender Beliebtheit bei Eltern. 600 Kinder mehr als in der ursprünglichen Schulplanung vorhergesehen muss der Bezirk dieses Jahr einschulen. Dabei war die Schule, der Rohlands Jüngster jetzt zugewiesen wurde, erst 2001 geschlossen worden. Der Grund: schrumpfende Schülerzahlen.
Dabei sei schon damals eine Trendwende auszumachen gewesen, erinnert sich Erika Hausotter, damals Quartiersmanagerin am Boxhagener Platz: Zwar seien staatliche Kitas geschlossen worden, gleichzeitig hätten aber neue Elterninitiativ-Kitas aufgemacht. Dass der Schließungsbeschluss die Schule Schwarnweberstraße getroffen habe, sei dem hohen Instandsetzungsbedarf des 1907 erbauten Schulhauses geschuldet gewesen, so die ehemalige Quartiersmanagerin. Mit der Renovierung der nun wieder gebrauchten Schule hat der Bezirk aber erst im vorigen Jahr begonnen.
Sie verstehe, dass die Eltern mit der Aufnahme des Schulbetriebs bei laufenden Baumaßnahmen nicht zufrieden seien, erklärt Schulplanerin Nitzsche. Zwei Drittel der Eltern, deren Kinder die wiedereröffnete Grundschule besuchen sollen, haben Anträge auf Umsetzung an andere Schulen gestellt. "Aber nicht alle konnten berücksichtigt werden", so Nitzsche: Denn auch die anderen Grundschulen im Kiez seien überfüllt und hätten deshalb teils Umbaumaßnahmen auszuhalten.
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