Sanders Castor-Stopp-Initiative: Kasper aus der Kiste
Niedersachsens Umweltminister Sander will Castortransporte nach Gorleben stornieren. Anti-Atom-Bewegung und Opposition sind misstrauisch und sprechen von einem "Schmierenstück".
Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander ist bisweilen ein recht sprunghafter Mensch. In energiepolitischen Fragen gilt der Freidemokrat aber als prinzipienfest: Möglichst langer Weiterbetrieb von Atom- und Kohlekraftwerken, Weiterbau in Gorleben, keine Kompromisse mit Umweltschützern, lautet sein Credo. Bei einem Besuch am geplanten Endlager Schacht Konrad posierte der bekennende Atomfan schon mit einem "Kerngesund"-Logo auf dem T-Shirt.
Sanders Vorstoß vom Montag, so lange auf Castortransporte nach Gorleben zu verzichten, wie der Salzstock als mögliches Endlager untersucht werde, kam da überraschend. "Wir werden alles daran setzen, dass keine weiteren Castoren nach Gorleben kommen, solange der Salzstock als mögliches Atomendlager ergebnisoffen erkundet wird", sagte er. "Das muss in Ruhe erfolgen, ohne jährliche Großdemonstrationen." Der FDP-Politiker forderte die Bundesregierung auf, Verhandlungen über einen Stopp der Atomtransporte ins Wendland zu führen. Die Bundesregierung müsse "so schnell wie möglich eine Lösung finden".
Der nächste Castor-Transport nach Gorleben ist für 2011 aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague geplant. Nach einer dreijährigen Pause, so die Planung des Atommüllspediteurs GNS, soll es ab 2014 noch vier Transporte aus dem britischen Sellafield nach Gorleben geben.
Eine Möglichkeit zur Stornierung sieht Sander darin, in Verhandlungen mit Frankreich zunächst den Transport 2011 auszusetzen: "Wir werden aus niedersächsischer Sicht versuchen, die Bundesregierung in Person des Bundesaußenministers zu bitten, das ganz ernsthaft zu prüfen". Als Alternative käme auch das Zwischenlager in Ahaus für Abfall aus La Hague und Sellafield in Betracht. Notfalls müsse die Atomindustrie eben ein neues Zwischenlager bauen. "Am besten könnte es dort sein, wo die meisten Kernkraftwerke laufen, das ist Süddeutschland."
Obwohl Sander damit eine auch in der Umweltbewegung diskutierte Forderung aufgriff, reagierten Atomkraftgegner mit Spott. Aus Sicht der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg handelt es sich um ein "Effekt heischendes Ablenkungsmanöver". Mit dem Verweis auf die Großdemonstrationen habe der Minister eines seiner eigentlichen Motive offengelegt: "Er will alles daran setzen, dass in Gorleben in Ruhe weiter erkundet, also ausgebaut werden kann", so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Zudem wolle Sanders Niedersachsen die Kosten für den Polizeieinsatz bei den Castortransporten ersparen.
Ähnlich äußerte sich Jochen Stay von der Organisation "Ausgestrahlt". "Sander spielt mit gezinkten Karten", sagte er. Dem Minister gehe es eigentlich darum, den weiteren Ausbau des ungeeigneten Salzstocks in Gorleben zu einem Atommüll-Endlager möglichst ungestört forcieren zu können. "Ein wirklicher Fortschritt wäre es, wenn Sander sich vom Endlager-Projekt in Gorleben verabschiedete."
Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag bewertet die vermeintliche Kehrtwende Sanders als "billiges Schmierenstück". Niemand könne ernsthaft glauben, dass sich der erste Atom-Lobbyist des Landes "wie von der Muse geküsst zum Atom-Kritiker wandele", so der umweltpolitische Sprecher Detlef Tanke. Seit acht Jahren verfolge die schwarz-gelbe Landesregierung einen strikten Pro-Atom-Kurs. "Jetzt kommt Sander wie der Kasper aus der Kiste mit dem Vorschlag, Castor-Transporte zu verschieben oder nach Ahaus umzuleiten. Wie glaubwürdig ist das?"
Auch die Grünen in Niedersachsen reagierten mit großer Skepsis. "Der Umweltminister als antiatompolitischer Spätzünder? Die Botschaft höre ich wohl - allein mir fehlt der Glaube", sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Die Linke mutmaßt, die "Atom-Euphoriker" bei Union und FDP wüssten nicht mehr, wohin mit dem Atommüll. Deshalb präsentierten sie hilflos irgendwelche Lager-Varianten.
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