Samstagsdemo gegen Stuttgart 21: Kopf an Köpfchen
Auf der bislang größten Demonstration gegen Stuttgart 21 am Samstag fordern Zehntausende den Rücktritt von Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus (CDU).
STUTTGART taz | "Mappus weg" – das war der dominanteste Slogan, als am Samstag erneut zehntausende DemonstrantInnen in Stuttgart zu der bislang vermutlich größten Demonstration gegen das umstrittene Bauprojekt "Stuttgart 21" auf die Straße gingen.
Unter dem Motto "Sofort Baustopp – dann Gespräche" bekräftigten die GegnerInnen des Milliardenprojektes in der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt ihre Forderung nach einem Stopp der fortschreitenden Bauarbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof, um gemeinsam mit Schlichter Heiner Geißler (CDU) und den Projektbefürwortern Gespräche aufnehmen zu können.
In Stuttgart gibt es seit Monaten Proteste gegen ein milliardenteures Bauprojekt, bei dem der Stuttgarter Hauptbahnhof um 90 Grad gedreht komplett unter die Erde verlegt werden soll.
Während die VeranstalterInnen am Samstag – sicher übertrieben – von bis zu 150.000 DemonstrantInnen sprachen, ging die Polizei – sicher untertrieben – von rund 63.000 protestierenden Menschen aus. Das sind die bislang höchsten Zahlen, die VeranstalterInnen und Polizei seit Beginn der Proteste gegen Stuttgart 21 je nannten.
Unter den DemonstrantInnen beteiligten sich rund 1.000 Menschen auf Inline-Skates und Fahrrädern an den Protesten. Andere trugen Plakate mit Slogans wie "Das einzig Unumkehrbare ist unser Widerstand" und "Ich schäme mich, jemals CDU gewählt zu haben". Immer wieder ertönten kollektive Forderungen nach dem Rücktritt des Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU).
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte am Wochenende erneut das Projekt und kritisierte die GegnerInnen von Suttgart 21: "Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land", sagte sie am Samstag beim Landestag der Jungen Union Mecklenburg-Vorpommern.
Ministerpräsident Mappus wandte sich ebenfalls am Samstag in einem Offenen Brief an die Bürger und schlug vor, ergänzend zu den anstehenden Schlichtungsgesprächen Informationsforen anzuberaumen, auf denen über alle Einzelfragen diskutiert werden könne – vom Schutz der Mineralquellen bis zum Baustellenmanagement. Einen Stopp aller Bauarbeiten lehnt er aber weiterhin ab.
Die Einrichtung des Grundwassermanagements für die Bauarbeiten wird derzeit im Stuttgarter Schlosspark weiter vorangetrieben. Ein Redner sagte dazu bei der Protestkundgebung am Samstag: "Bau- und Vergabestopp heißt Bau- und Vergabestopp für alles. Insbesondere auch für das Wasser hier im Park." Um verhandeln zu können, müssten sämtliche Arbeiten eingestellt werden.
Ende vergangener Woche hatte es Irritationen gegeben, nachdem der von Mappus eingesetzte Schlichter Heiner Geißler einen umfassenden Baustopp angekündigt hatte – und bereits kurze Zeit später wieder zurückgerudert war.
Während die CDU also weiter in Verteidigungskämpfen steckt, erreichen die Grünen in Baden-Württemberg neue Rekordzustimmung. Laut einer vom Spiegel in Auftrag gegebenen Umfrage würden derzeit rund 32 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg den Landesgrünen ihre Stimme geben. Damit lägen die Grünen nur noch zwei Prozentpunkte hinter der CDU (34 Prozent), gemeinsam mit der SPD (19 Prozent) aber weit vor einem schwarz-gelben Bündnis. Die FDP käme demnach auf 6 Prozent, die Linken auf 5. Das zu den Fakten.
Jenseits dessen: Wer nun emotional aus diesem überwiegend sachlichen Text gleiten mag, tue, was die DemonstrantInnen gern am Ende ihrer Demos tun. Sie singen in der Melodie von "Freude schöner Götterfunken" – was kampferprobte taz-LeserInnen nun zu singen aufgefordert sind, bitte ohne dabei in hämisches Lachen auszubrechen: "Freunde schöner Kopfbahnhöfe, lasst uns Kopf an Köpfchen stehen." Das zu den Emotionen.
Leser*innenkommentare
hto
Gast
Mappus weg - und was dann?
Baustopp - dann Verhandlungen / Kompromisse mit dem Wolf im Schafspelz?
"Kopf an Köpfchen" - für die Festspiele der gebildeten Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche?
Man bedenke: Mit diesem System des "Zusammenlebens" wie ein Krebsgeschwür im "gesunden" Konkurrenzdenken des "freiheitlichen" Wettbewerbs um die Illusionen der Hierarchie in materialistischer "Absicherung", sind die Milliarden auch WEG / FUTSCH wenn Stuttgart 21 verhindert würde - kein wahrhaftigeres "Soziales", keine wirklichere "Kultur", nix gesünder!?
vic
Gast
"Wenn man nur an sich denkt", boxt man derartig ökologischen wie ökonomischen Mist wider jede Vernunft durch, und man verlängert auch Atomkraftwerk-Laufzeiten. Weil "man" ja auch an spätere Generationen denkt.
Arabrab
Gast
das Lied hat aber nicht nur den kindlichen Anfang - es gibt tolle Strophen wie:
Freunde schöner Grundgesetze und des freien Volksentscheids. Niemand will das Recht verletzen, wir wolln nur ein bißchen Schweiz...
oder:
...wir sind viele tausend Leute - und wir wachsen Tag für Tag
nach Stuttgart kommen, und live anhören - oder warten, bis die Stuttgarter kommen - am 26.10.: Schwabenprotest in Berlin - Berliner unterstützt den freien Volkswillen!rad
oben bleiben
Gast
Was für ein Satz... Frau Merkel ?
"Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land."
Jetzt wird den Gegnern von S21 also auch noch Egoismus vorgeworfen. Weil die egoistischen Widersacher nur an sich denken und nicht an kommende Generationen.
Da frage ich mich doch, woher Frau Merkel weiß das die kommenden Generationen dieses mega teure Projekt überhaupt haben will?
Gibt es da schon Umfragen bei den Generationen?
Ich denke die kommende Generationen hätten gerne mehr Kitaplätze,bessere Bildungschancen(z.b. mehr Lehrer,besseres Lehrmaterial an Schulen und Uni`s)u.s.w.Was könnte man mit dem Geld alles sinnvolles für kommende Generationen erreichen! aber es wird lieber für dieses eine Prestige-Objekt ausgegeben.
Das nenne ich EGOISMUS(und Verschwendung)- weil die regierenden Parteien nicht an kommende Generationen denken und das ist ein großes Problem für unser Land.
Darum gehen tausende jede Woche auf die Straße weil genau diese Generation an kommende Generationen,an
ihre Kinder denkt!
MfG oben bleiben
Daniel
Gast
Merkel: "Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land"
und zwar ein nicht neues. Mal an die eigene Nase fassen, könnte ungeahnte Einsichten verschaffen. Allerdings ist es müssig, solches Korrupten Seilschaften, möcht fast sagen dem Establishment, nahezulegen.
Mikki
Gast
Bahnhof hin oder her, da kann endlos diskutiert werden. Ob es allen Protestierern letztlich um den Bahnhof geht, darf bezweifelt werden. Die Grünen fordern von der Landesregierung den sofortigen Baustopp, auf die klare Frage, ob die Grünen nach gewonnener Landtagswahl den Bau stoppen würden, windet sich Vielquatscher Özdemir bei Plasberg wie ein Aal, obwohl er nur JA oder NEIN sagen müsste. Es spricht daher Vieles dafür, dass dieses Thema für die Grünen Wahlkampfthema ist, und danach niemanden mehr interessiert. Schade drum: Themen gäbe es um dieses wie um andere Großprojekte herum sicherlich genug: Korruption, bewusst überzogene Baukosten, um den 10 % Zuschuss des Bundes für die Bahn hochzujubeln, nicht angemeldete Arbeiter aus Osteuropa undundund . All das geht mal wieder in der mittlerweile nur noch widerlichen Tagespolitik unter. Deutschland21 eben.
Regine Metes
Gast
Erstmal kurz emotional abgelacht: Frau Merkel spricht ständig von sich selber: Wer, wenn nicht sie, denkt doch ständig selber: an ihren Machterhalt - und bei ihrer sonstigen Politik sieht man nur eigennützige Initiativen, um dieselbe zu sichern, dabei preßt sie dem kleinen Bürger den letzten Euro ab. Und vom Denken an kommende Generationen spricht auch nicht gerade ihre Politik: siehe AKW's.
Zum Stuttgarter Bahnhof: die Weichen sind wohl gestellt: es geht für die Initiatoren wohl darum, die Bevölkerung zu beschwichtigen, aber nicht darum, eventuell das Projekt grundlegend zu ändern: d.h. eine günstigere Lösung zu suchen. (Immerhin denkt man doch noch an den Erhalt der Mineralwasserquellen).
Warten wir mal ab...
Anna Scheufele
Gast
Heiner Geißler, der alte Fuchs, ist keineswegs "zurückgerudert". Er hat im Gegenteil immer klar und unzweideutig gesagt, was er meint, ohne Wortklauberei, und er ist auch dabei geblieben.
Aber es wurde ihm von Seiten der BW-Landesregierung und von nicht wenigen Journalisten unterstellt, er habe "Verwirrung gestiftet", "Anfängerfehler gemacht" usw.
Ganze Nachtigallen-Herden hört man hier trapsen ...
Fassmann
Gast
Was zur Hölle sind GegnerInnen? Die Leute waren doch im Freien, da müßte es doch heißen GegnerAußen, wobei das ja eigentlich unerheblich ist ob innen oder außen, Gegner bleibt Gegner.
soso
Gast
Mensch, das ist ja Guerrilla in der Landeshauptstadt! Ein unerbittlicher Kampf um jeden Meter Boden, jeden Baum, jeden Tropfen Wasser. Weiter so, bin im Geiste bei euch! Es muss aber auch hart gekämpft werden, denn die CDU hat ja machtpolitisch mehr Steine im Brett als die Demonstranten.
Und was die CDU da loslässt, wäre eigentlich lächerlich, wenn die Lage nicht so ernst wäre: Ein CDU-Vermittler, der erst eine harte Linie fährt ("...ich höre auf, wenn nicht beide ernstlich mitziehen!" oder so ähnlich..) und dann mit unklaren Aussagen für Verwirrung sorgt: Die DemonstrantInnen können sich doch nur falsch verhalten! Und dann das Forum: Wollen die uns verarschen?? Wie soll denn bitte "alles diskutiert" werden, wenn vonseiten der Politik vollendete Tatsachen geschaffen werden? So funktioniert Demokratie nicht! Und dann Guido Dauerwelle mit seinem "...öh, die Bürger müssen sich aber schon an den Behördenscheiß halten..."! Der Staat ist für die Menschen da, nicht umgekehrt, schon vergessen? Und Altgriechisch sollte auch mal wieder unterrichtet werden: Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Und wer ist das Volk? Richtig: WIR!
Ich empfehle eine Kündigung allen PolitikerInnen, die das demokratische Element eines VOLKSentscheides nicht verstanden haben.
Fragezeichen
Gast
"Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte am Wochenende erneut das Projekt und kritisierte die GegnerInnen von Suttgart 21: "Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land"
..... deswegen hat sie auch die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert.
Mir kommt die Galle hoch!
Matthias
Gast
Frau Merkel hat Recht: "Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land"
Schade nur, dass sie selbst nicht daran denkt, denn die Steuergeldverschwendung bei Stuttgart 21 und der Ausstieg aus dem Atomausstieg belasten kommende Generationen.
jule denkt
Gast
merkel sprach: "Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land"
ähm...
da fällt mir vor lauter fassungslosigkeit nichts zu ein.
arno wahl
Gast
es geht in stuttgart laengst nicht mehr primaer um den bahnhof. man will keinen "polizeistaat" mehr akzeptieren der alles niederknueppelt was anderer meinung ist. MAPPUS, RECH und Kumpels haben hier versagt und keinen Ansatz von Buergerverstaendnis
gezeigt. man haette doch wissen koennen, dass alles eskalieren wuerde.Wenn man auch nur einen Hauch von Gespuer gehabt haette was "die menschen draussen" denken haette man den Dialog gesucht, ohne Wasserwerfer und Pfefferspray. Am 27.3.2011 ist ja (lt. Frau Merkel) "Volksabstimmung" was ein Fehler sich SO festzulegen, man glaubt das alles kaum !
Opi
Gast
Spüren Sie es auch? Es liegt förmlich in der Luft, ich fühle und rieche es! Herr Mappus wird aus diesem Projekt nicht mehr als Ministerpräsident hervortreten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er bis zur Wahl 2011 durchhält. Alles spricht dafür, dass er bald dem physischen und psychologischen Druck, der von seinen eigenen Wählern aufgebaut wird, nicht mehr standhält.
Ein MABBUS ist die neue Maßeinheit für den größtmöglichen Abstand zwischen einer wahren und einer unwahren Aussage.
Selbstgespräch?
Gast
Angela Merkel meinte: "Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land".
Bravo Frau Merkel, Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung....oder meinten sie damit etwa nicht ihre undemokratische und auf kurzfristigen Profit der Industrie basierende, rückwirkende Auflösung des vor Jahren von allen Parteien getragenen und vertraglich festgelegten Atomkompromisses?
Ökofritz
Gast
Bundeskanzlerin Angela Merkel "Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land"
=> Wenn das stimmen würde, hätte sich Frau Merkel keinesfalls die Laufzeiten der Atomkraftwerke überreden lassen... dies hat Konsequenzen, die keiner von uns erfassen kann!
guapito
Gast
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte am Wochenende erneut das Projekt und kritisierte die GegnerInnen von Suttgart 21: "Wenn man nur an sich denkt und nicht an kommende Generationen, ist das ein Problem für unser Land"
Das sagt gerade die Richtige, siehe Laufzeitverlängerungen für Atommeiler.
Die "Frau" ist zum heulen dämlich.