Saisonsauftakt bei US-Basketballerinnen: Authentisches Engagement
Die Basketballerinnen der Profiliga WNBA ziehen immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Dass die sich politisch positionieren, zahlt sich aus.
E iner hat genug von der Women’s National Basketball Association (WNBA). Dan Hughes schmiss seinen Job als Cheftrainer von Seattle Storm hin, um sich in den Ruhestand zu begeben. Dabei hatte die Saison gerade begonnen und Seattle war mit besten Aussichten in die Spielzeit gestartet. Der 66-Jährige, der seit zwei Jahrzehnten in der WNBA arbeitet, übergab seinen Job der bisherigen Assistenztrainerin Noelle Quinn und erklärte: „Ich denke schon eine Weile darüber nach und jetzt schien mir der richtige Zeitpunkt zu sein.“
Das war vor einer Woche und der Zeitpunkt war anscheinend wirklich nicht so schlecht, denn es läuft bestens für Seattle Storm. Die Mannschaft um Sue Bird liegt auf dem zweiten Platz und ist auf einem guten Weg, ihren Titel zu verteidigen. Und dass der Rücktritt von Hughes landesweite Schlagzeilen machte, ist auch ein gutes Zeichen: In ihrer 25. Spielzeit scheinen die Basketballerinnen endlich mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.
Zum Start der Saison gab es eine Titelgeschichte in Sports Illustrated, andere Medien berichten regelmäßiger und umfassender über die zwölf Teams. Zu den Hauptsponsoren gehört nun neuerdings neben den schon länger engagierten AT&T und Nike auch Google. Adidas investiert doppelt so viel wie in den vergangenen Jahren und hat 23 Akteurinnen unter Vertrag, darunter mit Layshia Clarendon von Minnesota Lynx die erste WNBA-Profi, die sich als transgender und non-binär outete.
Dazu wurden verschiedene TV-Verträge abgeschlossen. Die Begegnungen werden von ESPN, CBS, NBA TV, Twitter, Facebook und diversen Lokalsendern übertragen, mehr als 100 Spiele live und landesweit. Vor allem ein neuer Deal mit Amazon Prime machte Schlagzeilen, weil er 16 Spiele beinhaltete, die weltweit gestreamt werden. Die Einschaltquoten sind im Vergleich zur letzten, pandemiebedingt verkürzten Saison um 74 Prozent gestiegen.
Angekommen in den Sportkolumnen
Mittlerweile ist die WNBA immerhin so prominent, dass in Zeitungskommentaren diskutiert wird, ob männliche Arroganz oder doch eher Rassismus dafür verantwortlich ist, dass die (meist) männlichen TV-Kommentatoren die Namen vieler (meist) Schwarzer Spielerinnen penetrant falsch aussprechen, obwohl sie von den Klubs mit entsprechenden Aussprache-Hilfen versorgt wurden. Die in Nigeria geborene Arike Ogunbowale von den Dallas Wings, erfolgreichste Punktesammlerin der gesamten WNBA, twitterte nach einem Spiel: „Ich bin immer noch verwirrt, warum der Stadionsprecher in New York meinen Namen vierzig Minuten lang falsch ausgesprochen hat.“
Arike Ogunbowale, Spielerin
Dass die WNBA überhaupt seit einem Vierteljahrhundert existiert, liegt auch daran, dass hinter der Liga die finanziell potente NBA steht und ungefähr die Hälfte der Teams auf die Infrastruktur eines Mutterklubs in derselben Stadt zurückgreifen kann. Andere Versuche, Frauenprofisport zu etablieren – von der American Basketball League (1996–1998) über die Women’s United Soccer Association (2000–2003) oder der Women’s Professional Softball League (1997–2001) – scheiterten meist nach wenigen Jahren.
Die WNBA hatte aber nicht nur bessere Startbedingungen, sondern auch eine Idee. Von Anbeginn an setzte die Liga auf ein Image, das nicht nur familienfreundlich war, sondern auch politisch. Die Spielerinnen wurden ermutigt, sich gegen Rassismus und Sexismus zu positionieren. Eine solche Politisierung gilt im Profisport eher als geschäftsschädigend. Aber als im vergangenen Jahr angesichts der Black-Lives-Matter-Bewegung eine Solidaritätswelle durch den Sport schwappte, wirkte das Engagement der WNBA nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern auch authentisch. Ob es auch zu größerem kommerziellem Erfolg führt, wird man diese Saison sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind