: Sag es mit Musik
Heute startet mit „Tocotronic“ und „Parole Trixi“ in der Roten Flora eine zehntägige Konzertreihe gegen Rechtspopulismus: „Let the Music Play“. Ein Gespräch mit einigen der Organisatoren
Interview: MYRJAM LAMMER
Zehn Tage lang wird in Hamburg fast alles, was in der Musik Rang und Namen hat, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Let the Music Play – Regierung stürzen“ Flagge gegen Schwarz-Schill zeigen. Der Erlös der Konzerte geht an soziale Projekte.
taz hamburg: Wann entstand die Idee zur Reihe?
Maurice (*): Es gab bei unterschiedlichen Leuten in der Hamburger Musikszene schon relativ lange die Idee, etwas Größeres gegen die Politik des Senats aufzuziehen. Nach der Zuspitzung durch die Räumung vom Bauwagenplatz Bambule war die Zeit gekommen. Es hat sich dann mehr durch Zufall zusammengefunden. Von einigen kam die Idee, das Ganze schon als Kampagne zu beginnen, andere wollten einfach nur ein größeres Konzert machen.
Wie kam es zu der Zusammenstellung von Künstlern?
Robin (*): Normalerweise ist es ja eher so, dass irgendwelche Bands gefragt werden, auf Soli-Konzerten zu spielen, hier war das eher andersrum. Die Leute, die in diesen Bands spielen, wohnen fast alle hier und waren selbst auf den Demonstrationen. Je mehr Schwarz-Schill angerichtet hat, desto mehr brannte es denen unter den Nägeln, etwas zu tun. Es war den Gruppen ein authentisches Bedürfnis, mit der Gitarre in der Hand ihren Teil beizutragen.
Maurice: Es ging nur noch darum, wann sie spielen können, und nicht, ob. Die Absagen, die es auch gab, hatten keine inhaltlichen Gründe, sondern rein zeitliche. Da sich viele Bands zurzeit im Studio befinden, ist es umso außergewöhnlicher, dass sie jetzt spielen.
Warum gibt es auf den Webseiten der Bands keinen Hinweis auf die Veranstaltung? Das wäre doch eine gute Plattform.
Barry (*): Die meisten kümmern sich nicht selbst um ihre Internetseite. Bei Kettcar zum Beispiel sitzt der Webmaster ganz woanders. Wenn man dann mehrere Wochen auf Tour ist, kann so etwas schon einmal untergehen.
Maurice: Wobei Fettes Brot sogar auf der Startseite einen Link haben.
Habt ihr nicht die Befürchtung, dass bei den Konzertbesuchern ein wenig die Idee, die hinter der Veranstaltung steht, in den Hintergrund gerät?
Maurice: Die Gefahr besteht immer. Natürlich liest nicht jeder die Schriften, die verteilt werden. Es soll aber auch möglich sein, erst einmal hinzugehen, Freunde zu treffen und Spaß zu haben. Ich denke, dass es die fortwährenden Ereignisse in dieser Stadt gar nicht zulassen, diese Veranstaltung aus ihrem politischen Kontext zu heben, weil sie durch ihn bestimmt wird.
Robin: Es ist aber auch für alle Beteiligten ganz wichtig, dass neben der politischen Propaganda auch praktische Solidarität dabei herauskommt.
Wohin gehen denn die Erlöse?
Maurice: Möglichst soll gegen jeden Angriff ein Zeichen der Solidarität gesetzt werden. Den rassistischen Brechmitteleinsätzen setzen wir eine Kampagne entgegen; die Ausländerpolitik, die sich nach Abschiebezahlen richtet, wird mit Spenden an das Café Exil beantwortet, das Flüchtlinge betreut. Frauenpolitischen Kahlschlägen begegnen wir auch, in dem wir ein Frauenprojekt unterstützen. Das Soli-Konto Bambule, durch das unter anderem Prozesskosten gedeckt werden, wird ebenfalls unterstützt. Exemplarisch setzen wir gegen die Sozial- und Kulturpolitik, wo Kahlschlag betrieben wird, als Kulturschaffende Zeichen.
Werden denn durch die Veranstaltung nicht hauptsächlich Leute angesprochen, die sich ohnehin schon als politisch denkende Menschen verstehen?
Barry: Die Frage ist, was man mit einer Veranstaltung erreichen will. Es geht nicht darum, die Leute zu agitieren, es geht ganz stark darum, mit diesem breit gefächerten Programm, in dem sehr namhafte Künstler vertreten sind, Öffentlichkeit zu schaffen. Viel wichtiger als das, was auf den Konzerten passiert, ist, was drum herum passiert.
Gibt es schon Pläne für weitere Aktionen?
Maurice: Konkrete Pläne gibt es noch nicht, aber es gibt eine ganz klare Bereitschaft der Bands, weiterhin gegen diese Regierung zu spielen. Es wird gemunkelt, dass bei wärmerem Wetter etwas Festivalmäßiges laufen soll. Wir haben einen langen Atem.
* die Namen wurden von der Redaktion geändert
Tocotronic, Parole Trixi + Les freres checkolade: heute, 21 Uhr, Rote Flora; Les Garcons, ASCII Disko, Bernadette La Hengst + Mia: 23.1., 21 Uhr, Phonodrom; Swingparty DJ Swingin‘ Swanee: 25.1., 21 Uhr, St. Pauli Clubheim; Augsburger Tafelkonfekt, Stora DJs, Billhorner Billröhren, Bill & Barbara Jenny, The Martin Moritz Experience: 26.1., 21 Uhr, Schilleroper; Fettes Brot feat. Bela B, Kettcar + Teamsport: 27.1., 20 Uhr, Fabrik; Bambule-Film Schillernde Zeiten: 29.1., 18 Uhr, 3001; Tigerbeat, Kante + Mikron 64: 30.1., 20 Uhr, Schlachthof; Silly Walks Movement: 31.1., 23 Uhr, Rote Flora; Trainingslager Bouncesystem, Bushfire Soundsystem + Sugar Chicken: 1.2., 23 Uhr, Rote Flora