Sängerinnen gegen Sexismus: Lieder über ängstliche Männer
Eine Wiener Sängerin rechnet nach dem Fall Sigi Maurer in einem Lied mit Männern ab, die Frauen belästigen. Vorbild ist Lynzy Labs Song über „scary men“.
Jede noch so zarte Klavierballade klingt plötzlich brutal, geht es im Text dazu um sexuelle Gewalt und Hass. Das wusste wohl auch die Wiener Sängerin Mascha und nutzte dieses Phänomen für sich: Am Sonntag veröffentlichte sie auf Facebook ein Musikvideo, in dem sie mit Männern abrechnet, die sich Frauen gegenüber sexistisch und aggressiv verhalten. Das Lied widmete sie dem Fall rund um die österreichische Ex-Politikerin Sigi Maurer. Diese wurde wegen übler Nachrede verurteilt, nachdem sie die obszönen Mitteilungen, die sie erhalten hatte, in sozialen Netzwerken publik machte.
Unter ihrem Video-Beitrag schrieb Mascha: „Weil ein paar Menschen gefragt haben: Ja, ich habe wirklich ein Sigi Maurer Lied geschrieben und yes, da hat sich einiges an Beobachtungen aufgestaut. (…) Ich hoffe außerdem, dass Männer, die sich auch nur mit ein paar Zeilen identifizieren können, es als Arschtritt sehen und ihre Einstellung hinterfragen. Wäre schön.“
Diese „Einstellungen“ beschreibt die Sängerin im Lied sehr konkret: „Mund nur auf, wenn Penis rein. Alles andere muss nicht sein, wir besitzen keine Empathie. Augen zu, wenn Hand am Arsch. Tu nicht so, du magst es auch. Etwas zu sagen, traust du dich eh nie.“ Im Refrain heißt es immer wieder: „Wir haben Angst vor Sigi Maurer.“ Denn vor Frauen, die sich gegen Sexismus wehren, haben diese Männer Angst – so die Botschaft. Angst sei auch der Grund dafür, warum sich diese Männer überhaupt aggressiv verhalten. Mascha singt: „Wir haben Angst zu fühlen“, „Wir haben Angst, dass ihr recht habt“ und „Wir haben Angst, weil wir uns nicht ändern wollen“.
Empfohlener externer Inhalt
Die Wiener Künstlerin veröffentlichte vor einem Jahr ihren ersten selbstproduzierten Song „Wie 1 James Bond Song“. Sie singt in deutscher und ukrainischer Sprache.
US-Sängerin über sexuelle Belästigung im Alltag
Ihr Musikvideo ähnelt dem Video, der texanischen Sängerin Lynzy Lab. Mit dem Titel „A Scary Time“ knüpft Lab an eine kürzlich getätigte Aussage von US-Präsident Donald Trump an. Als sich der frisch gewählte Oberste US-Richter Brett Kavanaugh während seiner Kandidatur Missbrauchsvorwürfen stellen musste, sagte Trump, dass es eine „sehr beängstigende Zeit für junge Männer sei, wenn sie für etwas beschuldigt werden, das sie nicht getan haben“. Lab singt darüber, was Frauen in ihrem Alltag alles bedenken müssen, um sich sicher fühlen zu können. Im Gegensatz zu Männern, denen ihre Privilegien oft gar nicht bewusst sind.
Empfohlener externer Inhalt
So fallen Zeilen wie „Ich kann nach 19:00 Uhr abends nicht mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren“, „Ich kann mein Getränk nicht unbeaufsichtigt stehen lassen“ oder „Ich kann keine Miniröcke tragen“. Obwohl Lab im Video lächelt und ihr Ukulele-Gezupfe fröhlich klingt, dringt die traurige Botschaft spätestens im Refrain durch. Dort weißt sie ironisch darauf hin, dass es für Männer viel schwerer wäre und singt: „Es ist wirklich hart, wenn dein Ruf auf dem Spiel steht und jede Frau, die du angegriffen hast, jederzeit auftauchen und dich beschuldigen könnte. Ja, das ist eine beängstigende Zeit für Männer.“ Labs Musikvideo ging via YouTube und Twitter viral und wurde bereits über 1,2 Millionen mal aufgerufen.
Egal, was man von den sarkastischen Gesangseinlagen dieser Frauen halten mag. Die Musikvideos erfüllen ihren Zweck. Sie machen auf eine verstörende Realität aufmerksam. Eine, in der Frauen, die sexuell belästigt wurden, noch einmal zusätzlich bestraft werden, sobald sie sich wehren und ihrer Geschichte öffentlich machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden