Sängerin Joan Armatrading: Künstlerische Freiheit, die bleibt
Berühmt ist Songwriterin Joan Armatrading seit den 1980ern. Altersmilde klingt ihr neues Album „How did this happen and what does it now mean“ aber nicht.
Was macht eigentlich …?, eine Frage, die man ja gerne in Hinblick auf Prominente stellt, deren bekannteste Zeit schon etwas zurückliegt. Konfrontierte man Joan Armatrading damit, würde sie herzhaft lachen und ihrerseits kontern: Was hast du alles nicht mitbekommen?
Denn die 74-jährige britische Singer-Songwriterin mischt zwar schon seit mehr als einem halben Jahrhundert im Popgeschäft mit und ihre größten Hits wie „Love and Affection“ und „Drop the Pilot“ stammen vor allem aus der Vergangenheit, untätig blieb sie danach allerdings nie.
Allein in den letzten beiden Dekaden hat sie etwa eine Trilogie zum angloamerikanischen Blues, Rock und Jazz veröffentlicht, hat eine musikalische Bearbeitung des Shakespeare-Dramas „Der Sturm“ komponiert sowie ihre erste Symphonie. Und mit dem beim Major BMG veröffentlichten Werk „How did this happen and what does it now mean“ ist nun ein neues Album von Armatrading erschienen.
Künstlerische Unabhängigkeit war für Joan Armatrading schon immer wichtig. Wie üblich hat sie auch die zwölf Stücke ihres neuen Albums komplett allein im Bumpkin Studio in ihrem Wohnhaus in Surrey eingespielt und produziert.
Auf der Höhe der Zeit
Joan Armatrading: „How did this happen and what does it now mean“ (BMG Rights)
Schlagzeug, Bass und Keyboard klingen unaufdringlich und ganz auf der Höhe der Zeit, die stilistische Palette ist vielfältig, aber nie wahllos. Der eingängige Refrain von „Someone Else“ macht sich gut als Hymne zum Mitsingen. Voluminös mit Streicherarrangement und Bläserfanfaren ist die Ballade „Irresistible“ aufgebaut. Die für Armatrading typischen Ausflüge in den Reggae gibt es in „Say It Tomorrow“.
Der Albumtitel „How did this happen and what does it now mean“ lässt sich als Reflexion über den konservativen Backlash auffassen. Das dazugehörige Stück kreist um grundsätzliche Fragen, die sich auf Beziehungen genauso wie auf die politische Realität anwenden lassen.
Angesichts der thematisierten Ratlosigkeit spenden feste Klavierakkorde und ein solides Rhythmusfundament Sicherheit. Dazwischen finden sich zwei lässig hingeworfene Instrumentals mit schnörkellosem Rock. Die Gitarrensoli machen dabei deutlich, wie viel Spaß Armatrading am Musizieren hat. Ihr Alter merkt man höchstens dem leicht brüchigen Gesang von „Redemption Love“ an.
Es geht nie um ihre Befindlichkeit
Joan Armatrading ist keine Bekenntnis-Musikerin, die ihr eigenes Leben oder ihre Gefühle zum Ausgangspunkt von Songs macht. Sie sieht sich eher als Beobachterin, die das Gesehene in Worte und Noten übersetzt. Dies zeigt sich auf dem neuen Album vor allem in der Single „I’m Not Moving“. Das Lied basiert auf einem erlebten, verstörenden Vorfall: Ein junger, offensichtlich psychisch angekratzter Mensch drohte in aller Öffentlichkeit, sich nicht vom Fleck bewegen und alle Passanten in seiner Nähe umbringen zu wollen.
Die Aggressivität verwandelt Armatrading in einen bedeutungsoffenen Protestsong zwischen Größenwahn und Hilfeschrei, aber auch Selbstbehauptung und Ungehorsam.
Nicht zuletzt könnte man die Zeilen „I’m not moving / I am staying right here“ auch als das Lebensmotto von Joan Armatrading verstehen, die als feministische Pionierin geradlinig ihren Weg gegangen ist und damit vor allem jüngeren Musikerinnen als Vorbild dient. Die afrobritische Künstlerin hat sich zwar alle Möglichkeiten geschaffen, jederzeit ihre Musik aufnehmen zu können. Sie ist aber keine Vielschreiberin, die irgendwann einen Berg unveröffentlichten Materials hinterlassen wird.
Bleibt zu hoffen, dass noch viele weitere Alben folgen werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!