Sänger der Band Visage gestorben: Gender-Bender der ersten Stunde

Steve Strange ist tot. Der Mitbegründer der New Romantics wurde vor allem mit dem Hit „Fade to Grey“ bekannt. Sein Stil setzte Maßstäbe.

Von New Wave zu New Romantic: Steve Strange und seine Band Visage bei einem Auftritt in Dortmund im Jahr 1981. Bild: dpa

Was muss das aufregend gewesen sein, als Steven John Harrington zu Steve Strange wurde. Ganz so, wie David Bowie es vorgemacht hatte: flamboyante Verkleidungen, schnell wechselnde Rollenbilder und die Mitte der Siebziger Jahren längst noch nicht erschlossene Klangwelt der Synthesizer dienten Bowie zur Inszenierung als mondäner Popstar.

Weniger mondän war es, als Steve Strange 1976 ein Konzert der Sex Pistols während ihrer ersten, skandalumflorten Tour durch England besuchte. Krachbumm machte es auf der Bühne, aber auch davor: Zuschauer reagierten körperlich auf diese brachiale, neue Musik, und fortan war Steve seltsam: Umzug vom heimatlichen Wales nach London, Freundschaft mit Glen Matlock, dem ersten Bassisten der Pistols, Bekanntschaft mit anderen Musikern von Bands wie Siouxsie & the Banshees, Ultravox oder Magazine.

Strange arbeitete bald als DJ und Türsteher in London, wurde Teil der Musikszene. „Blitz“ hieß der Club, den er ins Leben rufen sollte. Was heute zur Folklore der Clubkultur gehört, harte Tür, nächtelange DJ-Sets, im London der späten Siebziger wurde es von Steve Strange vorgelebt.

Die Moden waren damals schon kurzlebig. Aus Punk wurde New Wave, aus New Wave dann New Romantic, eine extrem visuelle Fusion von Styling, Pop und Mode. Sie gilt als Vorläufer heutiger Jugendkulturen wie Emo.

Eines der ersten Musikvideos

Steve Strange ist so etwas wie der Begründer der New Romantics: stets mit geschminktem Gesicht, in Reiterhosen und Blusen mit Puffärmeln, Strähnchen im Haar. Gender-Bender, bevor es diesen Ausdruck überhaupt gab. Dann rief Strange sein eigenes Musikprojekt ins Leben – die Band Visage.

„Fade to Grey“, die zweite Single von Visage, wurde zum weltweiten Hit, die Hookline generiert mit dem Synthesizer und einem ultrapathetischen, leicht Opernhaft inszenierten Gesang (Bowie!). Der Song landet 1982 auf Nummer Eins der deutschen Charts. Wohl auch, weil „Fade to Grey“ eines der ersten Musikvideos der Popgeschichte war.

Prominent im Bild: Der stark geschminkte Sänger Strange mit nacktem Oberkörper und Fingernagelspuren über der Brust. Auch Boy George sollte sein Image wenig später daran ausrichten. Von heute aus betrachtet wären Figuren wie Antony Heggarty oder Terre Thaemlitz ohne die Vorarbeit eines Steve Strange undenkbar.

„Fade to Grey“ blieb nicht der einzige, aber der größte Hit von Visage. Als die Synthesizer und die New Romantics gegen Mitte der Achtziger wieder aus der Mode kamen, fiel es auch Strange schwerer, seltsam zu sein. Er verschwand nach Ibiza und tauchte dort im Nachtleben unter.

Versuche, Visage für weitere Hits wieder flott zu machen, scheiterten. Eine Abwärtsspirale setzte sich in Gang, die weder neu noch besonders romantisch anmutete. Drogen, Knast, Reality TV. Seine Autobiografie erschien unter dem Titel „Blitzed“ – „Besoffen“. Noch einmal gefragt war er in den britischen Medien, als David Bowie 2012 ein neues Album veröffentlichte.

Am Donnerstag ist Steve Strange im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich an einem Herzinfarkt gestorben. Er wurde 55 Jahre alt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.