: Sachsens Reform
Der Freistaat verzichtet ab heute auf Steuer in Höhe von 250 Euro. Die Stadt Leisnig musste sie seit 1504 zahlen
BERLIN taz ■ Pünktlich zum Aschermittwoch tritt in Sachsen eine Steuerreform in Kraft: Ab sofort wird der Stadt Leisnig der „Heringszins“ erlassen. Die 1504 verhängte Steuer verpflichtet die Kleinstadt, jährlich zum Aschermittwoch eine Tonne Hering an das sächsische Herrscherhaus zu liefern. Den Regenten sollte so das Fasten erträglicher werden. Gültig: bis gestern.
Erbost beschwerte sich die sächsische Kurfürstin Magdalena Sybille im Jahre 1616 bei den Leisnigern wegen deren eigenmächtigen Handelns: Statt eines Pferdewagens voller Fisch hatten die einen Boten in die Kapitale geschickt, der den adäquaten Geldbetrag überreichte. Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken, argumentierte der Leisniger Bürgermeister: Es sei doch sinnvoller, Geld statt Ware zu liefern, mit dem dann Fisch – ganz frisch – gekauft werden könne. Das leuchtete der Landesmutter offensichtlich ein. Seitdem zahlten die Leisniger den Gegenbetrag. Zuletzt lag der bei 250 Euro.
Verdächtig ruhig verhielt sich dagegen das zuständige Finanzamt in den letzten Jahren. Die Leisniger zahlen nämlich schon lange nicht mehr – bis zur Wende aus Mangel an einem Königshaus, seit der Wende aus Geldmangel. Um Planungssicherheit in den eigenen Haushalt zu bekommen, beantragte Leisnigs Bürgermeister Heiner Stephan daher, die Steuer doch bittschön abzuschaffen. Nach gründlicher Prüfung gab Finanzminister Thomas de Maizière schließlich klein bei. Nicht allerdings ohne vorher noch einmal kräftig abzuzocken: Mit dutzendfachem Gefolge reiste der Minister vor Wochenfrist in das kleine Muldenstädchen, um dem Freistaat zu holen, was ihm zusteht – in Form eines Fischeessens. NICK REIMER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen