Sachsen steigt aus Kommunal-Kombi aus: Jobs für Langzeitarbeitslose gefährdet
Die schwarz-gelbe Landesregierung will den Kommunal-Kombi nicht weiter bezuschussen. Damit sind 5.300 Stellen gefährdet. Opposition kritisiert den Plan als "hanebüchen".
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DRESDEN taz | Mit dem Ausstieg Sachsens aus dem Arbeitsmarktprogramm Kommunal-Kombi sind 5.300 Stellen für Langzeitarbeitslose unmittelbar in Gefahr. Sachsen habe das Programm des Bundes nicht gestoppt, versuchte der neue Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) kurz vor Weihnachten zwar zu dementieren. Der Freistaat leiste nur keine Kofinanzierung mehr, wie die Staatsregierung bereits Ende November beschlossen hatte. "Es bleibt den Kommunen unbenommen, die Stellen weiter zu finanzieren", erklärte Morlok. Das dürfte jedoch angesichts der sich verschärfenden Haushaltlage der Kommunen eine Illusion bleiben.
Die Einführung des Kommunal-Kombi durch die Bundesregierung war 2007 auch von der Opposition begrüßt worden. Ähnlich wie die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, kurz: ABM, soll er bei den Kommunen Stellen im sozialen und gemeinnützigen Bereich zusätzlich und außerhalb des regulären Arbeitsmarktes schaffen. Diese Arbeitsplätze sind jedoch sozialversicherungspflichtig. Anders als kurzfristige ABM-Stellen läuft der Kommunal-Kombi außerdem mindestens drei Jahre lang.
Das Programm richtet sich an über 50-jährige Personen, die mindestens zwei Jahre arbeitslos sind und ALG II beziehen. Es ist außerdem auf Regionen mit einer Arbeitslosenquote von mehr als 15 Prozent beschränkt, die ganz überwiegend in Ostdeutschland, beispielsweise aber auch im Ruhrgebiet oder Schleswig-Holstein liegen. Der Bund beteiligt sich mit bis zu 800 Euro Zuschuss monatlich an den Kosten einer Stelle. Der Freistaat Sachsen übernahm bisher 22 Prozent der Bruttolohnkosten und war mit einer geplanten Gesamtzahl von mehr als 18.000 Arbeitsplätzen bislang Spitzenreiter des Arbeitsmarktinstrumentes in Deutschland.
Sachsen begründet seinen Ausstieg aus dem Kommunal-Kombi mit erwarteten Mindereinnahmen laut jüngster Steuerschätzung. Wirtschaftsminister Morlok unterstellt außerdem Verdrängungseffekte für den ersten Arbeitsmarkt. Aufhorchen lässt außerdem ein Grundsatzbeschluss, "Förderprogramme von EU und Bund nicht mehr automatisch auszuschöpfen, wenn eine Kofinanzierung des Freistaates notwendig ist".
Der Bewilligungsstopp hat ein heftiges Echo ausgelöst. Wolfgang Tiefensee (SPD), der als damals verantwortlicher Bundesminister das Programm maßgeblich auf den Weg brachte, zeigte sich entsetzt und nannte den Ausstieg "verantwortungslos". Unterstellte Verdrängungseffekte seien "blanker Unsinn", so Tiefensee.
Mischa Woitschek, Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, sprach von einem "Wortbruch". Das Land könne die Kommunen nicht zu einer Beteiligung auffordern, wenn es sich selbst zurückziehe, sagte Woitschek. Eine Überarbeitung der Finanzierungspläne mit dem Ziel der Rettung einiger Maßnahmen sei nicht in der vom Bundesverwaltungsamt geforderten Frist von drei Tagen zu leisten.
Der DGB Sachsen kritisierte die Einstellung "eines der wenigen erfolgreichen Programme" und nannte die Begründung "hanebüchen". SPD, Linke und Grüne im Landtag attackierten den Ausstieg scharf. Morlok habe die Hoffnung vieler Menschen auf eine sinnvolle Beschäftigung zunichtegemacht, sagte SPD-Politiker Stefan Brangs.
Die Linken-Abgeordnete Edith Franke, die zugleich die Vorsitzende der Dresdner Tafel ist, schilderte, wie sich der Ausfall konkret auf die Lebensmittelversorgung der Ärmsten auswirkt. Die Grünen wiesen darauf hin, dass auch viele Vereine und Bürgerinitiativen von der Kürzung betroffen seien. Sie brachten umgehend einen Antrag ein, der die Staatsregierung zur Wiederaufnahme der Kofinanzierung auffordert.
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