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Sachbuch über Internet-PiraterieUmsonst und draußen

Stephen R. Witts „How Music Got Free“ stellt unbekannte Helden illegalen Filesharings vor. Es ging ihnen nicht um Gewinn, sondern um Kostenloskultur.

Fahne hoch für die Protagonisten des Filesharing! Unterstützer von Piratebay in Stockholm (Archivbild 2009). Foto: reuters

Manch ein Reflex funktioniert noch: Am Tag des Erscheinens von „How Music got free“ des US-Autors Stephen Richard Witt lud um 21.08 Uhr ein gewisser Mohammad_AT einen Torrent dieses Werks auf die Website Piratebay. Es geht also um Filesharing – mit Torrents kann man Datenmengen verbreiten und teilen.

Seit Frühjahr 2014 hat jener User dort mehr als 1.000 Torrents veröffentlicht – die gesammelten Werke von Lewis Carroll ebenso wie die Juli-Ausgabe von Reader’s Digest. Sogar ein Buch über die dunkle Seite des Internet hat er in seinem Portfolio – wie passend. Denn Witts Buch ist eine der ersten Darstellungen der Medien-Piraterie, die Ende der neunziger Jahre dank Internet und Filesharing-Technologie möglich wurde und das etablierte Geschäftsmodell der Musikindustrie infrage stellte.

Auch Witt weiß, es gibt sie also noch, die zwanghaften Hochlader. „How Music Got Free“ ist ein eloquentes Dokument davon, wie bleiche Keller-Bewohner mit einem Laptop die Art, wie wir Medien konsumieren, beeinflusst haben. Die Medienindustrie verfolgt Piraten wie ihn mit Anwälten und Klagen. Trotzdem ist jede Art von neu veröffentlichtem „Content“ nach wie vor umgehend im Netz verfügbar. Diese Kostenloskultur stellt eine Bedrohung für das Geschäftsmodell von allen dar, die mit digitalisierbarem geistigem Eigentum ihr Geld verdienen wollen. Aber es ist zugleich auch Ausdruck des alten – durchaus emanzipatorischen – Hackermottos „Information wants to be free“.

Phänomene wie Napster, Bittorrent oder die Open-Content-Debatte spielen in dem Buch nur ein Nebenrolle – darüber gibt es bereits Literatur. Die dramatis personæ, mit denen Witt seine Geschichte erzählt, ist ungewöhnlich. Witt beginnt mit dem – im angelsächsischen Raum offenbar immer noch wenig bekannten – deutschen Mathematiker Karlheinz Brandenburg, der Anfang der 90er Jahre am Max-Planck-Institut Erlangen zu den Schöpfern von MP3 gehörte – dem Audio-Format, das Musikdateien überhaupt erst klein genug machte, um sie als Datensatz im Internet verbreiten zu können. Die Geschichte, wie sich MP3 gegen konkurrierende Formate durchsetzte, hätte in den Händen von weniger begabten Autoren zu dröger Institutionsprosa werden können – Witt gelingt es, sie spannend zu erzählen.

Oink’s Pink Palace

Während Brandenburg noch zu den bekannteren Figuren in der Geschichte der Internet-Piraterie gehört, wendet sich Witt anschließend Personen zu, die in der einschlägigen Historie bislang keine Rolle gespielt haben: zum Beispiel Bennie Lydell Glover. Der ist Angestellter eines CD-Presswerks in den USA und stahl Tausende von Hit-Alben, um sie vor Veröffentlichung auf sogenannten Topsites anzubieten. Seine Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, dass es oft unbedeutende Mitarbeiter – meist frustrierte Inhaber schlecht bezahlter McJobs – waren, die der Musikindustrie schadeten.

Bennie Lydell Glover stahl als Angestellter eines CD-Presswerks Tausende Hit-Alben

Glover schlug wenig persönlichen Gewinn aus seinen Aktivitäten, genauso wie Alan Ellis, ein britischer Informatik-Student, dessen Website Oink’s Pink Palace um 2000 eine der wichtigsten Quellen von Musik war – auch er ist in der Geschichte der Internet-Piraterie bisher ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Witts letzter Protagonist ist der US-Musikmanager Doug Morris, den er als Retter der Musikindustrie hochstilisiert – er habe einerseits die Strafverfolgung der Netz-Piraten eingeleitet, andererseits YouTube zur neuen Einnahmequelle der Industrie gemacht.

„How Music Got Free“

Stephen R. Witt: „How Music Got Free: The End of an Industry, the Turn of the Century, and the Patient Zero of Piracy.“ Viking, London, 2015, 304 Seiten, ca. 25 Euro

Witt erzählt anschaulich die abstrakte Geschichte der Online-Piraterie – die sich vor allem im Netz unter Protagonisten mit Pseudonym-Kürzeln abgespielt hat.

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1 Kommentar

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  • Die Geschichte ist immer prima - zielt diese Art von Piraterie doch auf die Profite der Musikindustrie. Dennoch gibt es eine andere Seite des Problems: die Schöpfer der Musik selbst. Welche die Musikkapitalisten gern vor ihren Karren spannen. Und von denen manche kurzsichtig genug sind, dies mit sich machen zu lassen. - Kurzum: Ich kaufe grundsätzlich, wo immer es geht, die Musik von den Musikerinnen und Musikern selbst. Im Internet, oder nach dem Konzert.