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Sabotage an Uber-RädernDas ist ein Uberfall

Ein Aufruf Reifen von Jump-Leihrädern zu zerstechen, stößt auf Resonanz. Der Protest zielt auf Uber, das es mit Gesetzen auch nicht so genau nimmt.

Hinter den harmlosen roten Rädern lauert das Böse Foto: dpa

Berlin taz | Ein rotes E-Bike auf Berlins Straßen zu finden, ist nicht schwer. Mehr als 1.000 Räder hat der Anbieter Jump, der im Mai mit seinem Angebot an den Start gegangen ist, in der Stadt verteilt. Zunehmend schwieriger wird es allerdings, ein fahrtüchtiges Rad zu finden. Denn ein Sabotageaufruf trägt offensichtlich Früchte. Statistiken gibt es zwar keine, kaputte Räder aber viele, in manchen Zeitungen wird bereits über Hunderte zerstochene Reifen bei den Leihrädern spekuliert.

„Uber plätten“ heißt der Aufruf aus linksradikalen, kapitalismuskritischen Kreisen, der sich vieler Nachahmer und eines breiten Medieninteresses erfreut. „Stecht den beschissenen Fahrrädern, wo immer ihr ihnen begegnet, die Reifen auf!“, heißt es in dem Aufruftext, der sich auch die Mühe macht, dieses Tun zu begründen. Der Fokus auf Jump ist bewusst gewählt, denn die Firma gehört dem Taxi-Dienstleister Uber.

Die anonymen Verfasser stellen fest, bereits das „Kerngeschäft der Vermittlung von Personenbeförderungsangeboten ist ausbeuterischer Plattformkapitalismus in Reinform“. Ein weiterer Vorwurf: Die ebenfalls mit Uber kooperierenden E-Scooter von Lime seien aufgrund ihrer enthaltenen Batterien klimaschädlich. „In diesem Punkt haben die Autonomen tatsächlich recht“, schreibt dazu die Berliner Zeitung und geht dabei darüber hinweg, dass sie auch mit ihrem ersten Punkt recht haben.

Das seit Mai börsennotierte Unternehmen aus San Francisco macht in seinem Kerngeschäft nichts anderes als zwischen Kunden und Anbietern zu vermitteln. Uber besitzt keine Autos, genauso wenig wie Airbnb Unterkünfte. Für die Anbieter ihrer Dienstleistungen fühlen sie sich nicht verantwortlich. Arbeitsrechte für Uber-Fahrer? Ein Betriebsrat gar? Fehlanzeige. Stattdessen müssen die Fahrer große Teile ihren „Lohns“ an die Plattform sowie deren Subfirmen abdrücken. Was bleibt ist die Prekarität. Ausgebeutet werden auch die so genannten Juicer, die für Lime die Scooter einsammeln und an ihrer eigenen Steckdose aufladen.

Gesetze ignorieren

Ebenso wie Airbnb ist Uber ein Paradebeispiele dafür, aggressiv in rechtlich noch nicht abgesteckte Räume vorzudringen oder diese bewusst zu unterlaufen. Zum Schutz des professionellen Taxigewerbes ist Uber als Taxi-Ersatz in Berlin eigentlich verboten. Um sich dennoch festzusetzen, nutzt es Mietwagenanbieter, die dazu verpflichtet sind, nach jeder Fahrt zu ihrer Zentrale zurückzukehren, es sei denn, sie erhalten einen Folgeauftrag. Dass das passiert, glaubt niemand. Kontrollierbar ist es nicht. Mangels eigener Autos sind für die Uber-Kritiker die Räder und Roller die ersten manifesten Ausdrücke des Konzerns auf den Straßen Berlins.

Zwar liegt die Empörung über so einen Aufruf zur Sabotage nahe. Andererseits aber trifft es einen Konzern, der den zumindest laxen Umgang mit gesetzlichen Regelungen zum Kernpunkt seines Geschäftsmodells gemacht hat. Die Aktion taugt allemal dazu, darüber zu sprechen. Die Verstöße, die von Uber ausgehen, sind gesellschaftlich schädlicher als ein paar aufgeschlitzte Reifen.

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3 Kommentare

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  • Hier besetzen internationale Konzerne allgemeines Gut und verwerten es zu privatem Profit: Der Gehweg ist ein"commons", wie das im Englischen heißt. Er ist kein privates, sondern ein gesellschaftliches Gut, wie Luft und Wasser. Wir haben mit unseren Steuern für die Herstellung und den Unterhalt bezahlt. Egal ob E-Scooter oder Uber-Räder - alle diese Unternehmen reißen sich jetzt ein öffentliches Gut unter den Nagel und benutzen es als Grundlage für ihr Geschäftsmodell. Wer diesem Modell die Luft rauslässt, tut unseren Städten nur Gutes. Ein schwarzer Filzstift in der Tasche ist auch hilfreich, denn der QR-Code ist dann nicht mehr lesbar.

  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Was ist eigentlich ein Protest wert, der Gesetzesbrechern mit Gesetzesbruch begegnet?



    Nennt man sowas an anderer Stelle nicht zu Recht Selbstjustiz?



    Wollen wir Selbstjustiz dulden, wenn die (vermeintlichen) Gesetzesverstöße gesellschaftlich schädlicher sind als die unmittelbaren Folgen der Selbstjustiz?



    Wo genau ist dann eigentlich die Grenze?

    • @75064 (Profil gelöscht):

      Rs ist eine Macht-Frage. Wer macht was, und vor allem wie? Uber ist natürlich Kapitalismus in reinform, und zwar in seiner üblen, nämlich imperialistischen Art. Imperialistisch deshalb, weil ein großer Konzern über die Kapitalien (z.B. Fahrräder) kleinerer Firmen gebietet und auch Scheinselbstständige (Uber-Fahrer) böse ausnutzt.



      Uber hat Macht, weil viel Geld. Aber dereinzelner Macher gewinnt auch macht, wenn er Teil einer Vielheit ist.



      Wir kennen es vom Geldspielautomaten: wer die Regeln setzt, gewinnt. Deswegen gibt es auch nur zwei Möglichkeiten, aus den Dingern Geld heraus zu holen: man hat entweder den Schlüssel oder einen Akku-Bohrer.