Saarlands SPD-Spitzenkandidat über die Linke: "Wir sind uns inhaltlich nah"
SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas schließt eine Koalition mit der Linken nicht aus. Gerade bei der Bildung gibt es Übereinstimmungen, sagt er. Und fordert größere Verlässlichkeit.
taz: Herr Maas, wissen Sie, wann ein SPD-Kandidat zum letzten Mal in Westdeutschland gegen einen CDU-Ministerpräsidenten gewonnen hat?
Heiko Maas: Nein.
1991. Rudolf Scharping.
Sehen Sie, es ist Zeit, das zu ändern.
Warum können Sie, was der SPD 18 Jahre lang missglückte?
Weil im Saarland die Zeichen auf Wechsel stehen. Wir haben zehn Jahre CDU-Alleinregierung. Zehn verlorene Jahre mit Bildungsmurks und Stillstand in der Ansiedlungspolitik. Die letzte Umfrage hat gezeigt, das 61 Prozent der Saarländer einen Wechsel wollen. Und mehr als die Hälfte will, dass die SPD in der Regierung ist.
Heiko Maas ist seit 2000 Landesvorsitzender der SPD im Saarland, seit 1999 ist er Chef der Landtagsfraktion. Der 42jährige sitzt außerdem im Bundesvorstand seiner Partei. Der studierte Jurist ist verheiratet und hat zwei Söhne.
Die Wahlen: Am 30. August finden im Saarland Landtagswahlen statt. Bei den Wahlen 2004 errang die CDU die absolute Mehrheit, Ministerpräsident Peter Müller regiert seit 1999.
Die Umfragen: Die aktuellste Meinungsumfrage stammt aus dem April. Der CDU droht laut "Saarland-Trend" ein Rückgang von 47,5 Prozent der Stimmen bei der letzten Wahl auf jetzt 36 Prozent. Die FDP könnte sich auf neun Prozent verbessern. Dann hätte Schwarz-Gelb zusammen ebenso 45 Prozent wie eine rot-rote Koalition aus SPD (27 Prozent) und Linke (18 Prozent). Die Grünen kämen laut Umfrage auf sieben Prozent.
Und mit wem?
Wir schließen nichts aus - weder die Ampel, noch Rot-Rot-Grün, noch eine andere Konstellation. Entscheidend ist, mit wem wir unser Programm für faire Chancen und gute Arbeit umsetzen können. Und wer verlässlich ist.
Ist die Linkspartei regierungsfähig?
Das muss sie noch beweisen. Es geht derzeit bei denen viel um Lafontaine - aber der wird nach der Wahl wieder in Berlin sein.
Aber Sie wollen doch lieber selbst regieren - und nicht Juniorpartner von Müller werden?
Es stimmt, dass wir die größten inhaltlichen Überschneidungen mit Grünen und Linkspartei haben. Vor allem bei der Bildung. Wir haben im Saarland mit 4.300 Euro pro Schüler die geringste Prokopfausgabe aller Bundesländer. Die CDU will an einem vermurksten G 8, dem verkürzten Abitur, das Schüler unter enormen Stress setzt, und den unsozialen Studiengebühren festhalten - beides wird es mit uns nicht geben.
Die SPD verspricht: keine Schulschließungen, mehr Ganztagsschulen, kleinere Klassen. Wie wollen Sie das bezahlen?
Wir setzen Prioritäten. Es gibt eine riesige Nachfrage nach Ganztagsschule - weil die pädagogische Betreuung dort besser ist und auch wegen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir werden nicht 50 solcher Schulen auf einen Schlag schaffen können. Aber nach und nach. Wir wollen eine echte Wahlfreiheit zwischen Ganz- und Halbtagsschulen.
Das will die Linkspartei auch. Wo sehen Sie denn die wesentlichen Schwierigkeiten, wenn es für Rot-Rot reichen sollte?
Wir wissen nicht, ob die Linkspartei in der Lage ist, in einer Haushaltsnotlage auch unbequeme Entscheidungen mitzutragen. Die wird es geben, denn wir werden auch künftig sparen müssen. Die Linkspartei hingegen verspricht den Leuten das Blaue vom Himmel herunter.
Ist das ein Ja oder ein Nein zu Rot-Rot?
Wir sind uns inhaltlich mit der Linkspartei ziemlich nah - aber das nutzt nichts, wenn die Koalition nicht dauerhaft ist. Eine Zusammenarbeit ist nur denkbar, wenn man über fünf Jahre eine stabile, verlässliche Regierung bilden kann.
Halten Sie Lafontaine für einen Realisten?
Zumindest hat er im Saarland 13 Jahre lang sehr pragmagtisch angesichts der Haushaltsnotlage regiert. Er hat eine strenge Haushaltspolitik betrieben, Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut und privatisiert. Also das Gegenteil von dem gemacht, was er heute propagiert.
Jede Regierung, egal ob Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Gelb, wird sparen müssen. Auch wegen der Schuldenbremse …
Gegen die wir sind. Müller will sie ja sogar in die Landesverfassung schreiben. Er hat zehn Jahre lang jedes Jahr 500 Millionen Euro neue Schulden gemacht, bei einem Etat von 3,5 Milliarden. Sogar als die Wirtschaft um 3,4 Prozent wuchs, hat er 770 Millionen neue Schulden aufgenommen. Und jetzt soll es null Prozent Neuverschuldung in der Krise bei schrumpfenden Steuerneinnahmen geben? Das ist absurd. Schuldenbremse heißt im Saarland: Kahlschlag bei Bildung und Kultur. Das machen wir nicht.
Komisch nur, dass die Schuldenbremse keine Erfindung von Peter Müller ist, sondern von der SPD, wie Steinmeier und Steinbrück stolz betonen …
Ich halte sie trotzdem in unserer Situation für falsch. Unser Gegner ist im Saarland in Sachen Schuldenbremse Müller. Denn der vertritt sie hier.
Was halten Sie von ihren Konkurrenten Müller und Lafontaine?
Beide sind laut und populistisch. Ich nicht. Ich orientiere mich eher an Willy Brandt - nicht laut, aber standhaft in der Sache.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin