SÜDKOREA SUCHT NEUE FORM IM UMGANG MIT NORDKOREA UND DEN USA: Zwischen Schurke und Falken
Eingeklemmt zu sein zwischen dem unberechenbaren Pjöngjang und dem kriegslüsternen Washington ist kein Schleck. Genau in diese unglückliche Lage ist der designierte südkoreanische Präsident Roh Moo-hyun am Donnerstag gewählt worden. Er will den Dialog mit Nordkorea fortführen und gilt als Garant der Sonnenscheinpolitik, die Präsident Kim Dae-jung vor fünf Jahren initiiert hat. Gleichzeitig musste Roh aber schon im Wahlkampf erleben, wie Pjöngjang mit einem stillgelegten Atomprogramm ein höchst riskantes Pokerspiel um Anerkennung durch die Ordnungsmacht Vereinigte Staaten begonnen hat. Die Situation auf der koreanischen Halbinsel ist explosiv, und Südkorea braucht einen Präsidenten, der einen kühlen Kopf behält.
Denn der Menschenrechtsanwalt Roh muss einen dritten Weg zwischen der harten, fast unnachgiebigen Linie Washingtons und der im Rückblick großzügigen, aber naiven Linie seines Vorgängers finden. Nordkorea muss in einen Dialog eingebunden und gleichzeitig so weit unter Druck gesetzt werden, dass es das Nuklearprogramm stoppt und in einem weiteren Schritt seine Gelüste auf Massenvernichtungswaffen und Langstreckenraketen aufgibt. Doch um dies zu erreichen, ist eine gute Koordination in ganz Nordostasien nötig, die nicht nur zwischen Seoul und Washington, sondern ebenso zwischen Peking und Tokio abgestimmt werden muss.
Es stimmt nämlich trotz all der Rhetorik über Dialogbereitschaft immer noch, dass Pjöngjang Züge eines Schurken zur Schau stellt. Niemand sollte vergessen, dass in diesem Winter wieder Millionen von Nordkoreanern hungern und frieren und wahrscheinlich zehntausende Kinder wegen Unterernährung sterben. Nur 50 Kilometer nördlich des südkoreanischen Präsidentenpalastes genießen die Menschen nicht einmal die grundlegendsten Rechte.
Der Süden und auch viele Staaten der Europäischen Union haben in den vergangenen drei Jahren wirklich viel unternommen, um Kim Jong-il aus seiner internationalen Isolation herauszuhelfen und Mut für Reformen zu geben. Der Dank sind Raketen, geheime nukleare Labors und Drohungen aus Pjöngjang.
Da ist es nicht verwunderlich, dass Falken in Washington am liebsten selbst Raketen Richtung Pjöngjang schicken würden, um zumindest die Nuklearbedrohung auszumerzen. Das wäre katastrophal, weil Pjöngjang ein Meister der Eskalation ist. Wie Roh den dritten Weg gestaltet, wird letztlich darüber entscheiden, ob ein haltbarer Frieden auf der koreanischen Halbinsel gefunden werden kann. ANDRÉ KUNZ
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