STREIT UM DAS HARTZ-KONZEPT: JOBLOSE WERDEN FÜR DUMM VERKAUFT: Spektakel mit vier Millionen Zuschauern
Nur mal angenommen, man ist arbeitslos – das betrifft immerhin vier Millionen Leute – und liest täglich Zeitung. Eigentlich müsste man dann hoffen können. Ständig ist Neues darüber zu lesen, was die Bundesregierung für die Arbeitslosen tun will. Der Kanzler hat das sogar zur Chefsache erklärt. Doch anstatt sich über diesen politischen Tatendrang zu freuen, werden die Arbeitslosen zu Zuschauern eines Spektakels degradiert, das mit ihnen selbst nichts mehr zu tun hat. Die Inszenierung ist nicht nur die übliche Mischung aus Wahlkampfgetöse und ein paar neuen Maßnahmen – jetzt hacken auch noch die Akteure des Hartz-Konzepts aufeinander ein.
Beispiel Job-Floater: Stolz kündigt der Bundeskanzler an, schon ab 1. November das Programm „Kapital für Arbeit“ aufzulegen. Mit diesem Programm, im Hartz-Konzept noch „Job-Floater“ genannt, sollen denjenigen Unternehmen günstige Kredite eingeräumt werden, die Arbeitslose einstellen. Bloß wollen die Unternehmer die neue Fördermöglichkeit gar nicht. Es gebe schon genug Kreditprogramme und Lohnkostenzuschüsse, heißt es im Arbeitgeberlager. Lieber solle man die Lohnnebenkosten senken und Bürokratie abbauen. Ein Förderprogramm, das die Subventionierten in spe gar nicht möchten – das nennt man Verschwendung politischer Energie.
Beispiel Personal-Service-Agenturen (PSA): Bundesarbeitsminister Riester streitet jetzt mit dem Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Gerster, ab wann man die ersten PSA starten kann. Riester will die erste PSA schon nächste Woche aus der Taufe heben. Doch entweder es handelt sich bei den PSA tatsächlich um etwas Neues – dann müssen dazu einige Gesetze geändert werden, und das dauert Monate; oder die PSA sind nur eine neue Bezeichnung für schon bestehende Kooperationen mit Zeitarbeitsfirmen – dann ist das Ganze ein Etikettenschwindel.
Es ist eine alte Erfahrung der Arbeitslosen, dass sie im politischen Streit funktionalisiert werden. Doch für dumm verkauft zu werden ist schlimmer. So etwas geht nach hinten los. Schröder, Riester & Co. sollten das eigentlich wissen.
BARBARA DRIBBUSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen