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STASI-MITARBEITER: DER MDR IST IMMER NOCH ÜBERFORDERTEwige Überraschung

Ingo Dubinski, für die Schlager liebende Fraktion der TV-Nation durchaus so etwas wie ein Shootingstar, hat also offensichtlich für die Stasi spioniert. Die Mitteldeutsche Zeitung, die gegenwärtig den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) systematisch auf Informelle, Gesellschaftliche oder sonstige Mitarbeiter des DDR-Überwachungsregimes durchleuchtet, zitiert umfänglich aus seiner bisher unbekannten Akte: 1983, als 19-Jähriger im Wehrdienst, habe sich Dubinski gleich doppelt – und wohl auch freiwillig – zur Zusammenarbeit verpflichtet. Die Stasi setzte ihn auf einen christlich engagierten Soldaten seiner Einheit an, über dessen Einstellungen und Aktivitäten er zu berichten hatte. Dubinskis Motiv: Offenbar sollte der Spitzeldienst seine Chancen auf einen Auslandsstudienplatz in Moskau erhöhen.

Nun könnte dies eine schon fast normale Geschichte aus der untergegangenen DDR sein, die sich höchstens durch ihre mehr als zehnjährige Verspätung von anderen derartigen Enthüllungen unterscheidet. Doch Dubinski ist Moderator und Showmaster im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und der tut sich schwer mit dem seit Jahren virulenten Problem.

Vor allem der MDR muss sich auch im Jahr elf nach der Vereinigung noch reihenweise von belasteten Mitarbeitern trennen, obwohl sich die Anstalt mehrfach selbst durchleuchtet hat: Ingo Dubinski ist der zweite Fall innerhalb einer Woche, am Dienstag war bereits Hendrik Petzold, Moderator der MDR-Sendung „Mach dich ran“, mit Bildschirmverbot belegt worden.

Der MDR rechtfertigt sich derzeit mit dem Hinweis, die Überprüfung freier Mitarbeiter gestalte sich schwierig, man sei auf Selbstauskünfte angewiesen. Das mag im Fall Dubinski richtig sein, doch hat die ARD-Anstalt – Dubinski moderierte hier bisher regelmäßig zwei Sendungen – auch bei längst bekannten Stasiverstrickungen oft noch lange an nicht mehr tragbaren Mitarbeitern festgehalten. „Politische Instinktlosigkeit“, so der Vorwurf prominenter Bürgerrechtler bei der letzten Enttarnungswelle im April an die Adresse von MDR-Intendant Udo Reiter, ist da noch viel zu milde.

Doch das Problem trifft nicht den MDR allein. Das nicht sein kann, was nicht sein darf, scheint bisher generell das Motto vieler Öffentlich-Rechtlicher zu sein. Im Fall Dubinski ist nun auch der NDR betroffen, der die „ARD-Fernsehlotterie“-Sendungen und die „Wunschbox“ mit dem Moderator produziert. Und beim ZDF verlässt man sich bisher darauf, dass schon zutreffen wird, was die Mitarbeiter in den fünf ostdeutschen Studios unterschreiben: dass sie nicht mit der Stasi zusammengearbeitet haben. STEFFEN GRIMBERG

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