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Archiv-Artikel

STADTGESPRÄCH Kumpanei der Herrschenden

EIN STIMMENKAUF IM PARLAMENT DER REPUBLIKA SRPSKA UND EIN ANGRIFF AUF DIE PRESSEFREIHEIT

Es gibt so viele politische Skandale in Bosnien und Herzegowina, dass schon nach ein paar Tagen die öffentliche Empörung über den letzten schwindet. Denn in der Regel ist schon der nächste aufgetaucht.

Doch das Vorgehen der Behörden gegen das populäre Nachrichtenportal Klix.ba, die Affäre „Dva papka“ (zwei Dörfler – zwei Primitive), hat es in sich. Sie bewirkt endlich einmal nachhaltige Empörung.

Es geht um die Regierungsbildung in der serbischen Teilrepublik nach den Wahlen im Oktober 2014. Der herrschenden Regierungspartei Unabhängige Sozialdemokraten (SNSD) unter Präsident Milorad Dodik fehlten zwei Stimmen im Parlament, um gegen die erstarkte Opposition erneut eine Regierung im bosnisch-serbischen Teilstaat bilden zu können. Eigentlich. Auf wundersame Weise gelang es trotzdem, eine Mehrheit im Parlament zu erreichen.

Der Schlamassel für die Herrschenden begann, als Klix.ba aus Sarajevo am 15. November einen Telefonmitschnitt der Ministerpräsidentin der Republika Srpska, Zeljka Cvijanovic, veröffentlichte. Im Gespräch mit ihrer Kusine Natasa hatte die Regierungschefin ganz offen davon gesprochen, dass es nicht nur gelungen sei, zwei Parlamentsabgeordnete auf die Seite der herrschenden Koalition zu ziehen, sondern dass sie noch zwei „Primitive“ in Reserve habe, falls die ersten zwei es sich doch noch anders überlegen würden: „Deshalb haben wir zwei andere gekauft […], wenn sie [die beiden anderen] uns wieder abspringen, werden wir Ersatz haben.“

Die Veröffentlichung des Telefonmitschnitts schaffte es auf die Titelseiten, aber schon ein paar Tage später begann das Interesse wie üblich abzuebben. Doch es war die Regierung des bosnisch-serbischen Teilstaats in Banja Luka, die den Skandal weiter am Köcheln hielt. Die Polizei der Republika Srpska warf dem Portal „Manipulation“ vor und stellte eine Strafanzeige gegen unbekannt. Am 5. Dezember wurden Mitarbeiter von Klix.ba zum Verhör nach Banja Luka einbestellt.

Doch die Journalisten gaben ihre Quelle nicht preis. Und erhielten sofort Unterstützung aus der Zivilgesellschaft in ganz Bosnien und Herzegowina. Transparency International verurteilte das Vorgehen der Behörden, der bekannte Journalist Senad Pecanin aus Sarajevo erklärte, nur Putin, Erdogan und Dodik wagten es in Europa, so gegen die Presse vorzugehen und die offenkundige Korruption unter den Teppich zu kehren. Slowenische Experten bewiesen die Echtheit des Mitschnitts. Die am 19. Dezember zur Regierungschefin wiedergewählte Zeljka Cvijanovic versuchte nun, die Staatsanwaltschaft der Republika Srpska und sogar die aus Sarajevo einzuschalten. Dass dies gelang, war ungewöhnlich, hatten doch bisher die Herrschenden der serbischen Teilrepublik jede Zusammenarbeit mit den Institutionen des gemeinsamen Staates verweigert.

Am 29. Dezember war es so weit. Vermummte Polizisten aus Sarajevo und aus der serbischen Teilrepublik drangen in die Redaktionsräume von Klix.ba ein, konfiszierten Unterlagen und Computer, schlugen einen Fotoreporter krankenhausreif und hielten die Redakteure länger als acht Stunden fest.

Präsident Dodik, vermuten die Journalisten, wollte wohl wissen, wer aus seinen eigenen Reihen das Tape dem Nachrichtenportal zugespielt hatte. Denn Illoyalität sei für seine Position gefährlich. Doch die Behörden fanden nicht das, was für die Herrschenden in der Republika Srpska von Bedeutung war.

Nun stellte sich die Frage, wie es zu der Kooperation zwischen den Behörden in Sarajevo und Banja Luka hatte kommen können, warum es serbischen Polizisten erlaubt war, bei der Aktion gegen Klix.ba auf dem Gebiet der bosniakisch-kroatischen Föderation anwesend zu sein. Die Staatsanwaltschaft in Sarajevo knickte ein und gab am 6. Januar die konfiszierten Unterlagen an Klix.ba zurück. 19 Computer allerdings blieben zerstört.

Der Fall ist damit aber nicht ausgestanden. Um die „Kumpanei der Herrschenden aller Seiten gegen kritischen Journalismus“ aufzuklären und die Überläufer herauszufinden, haben sich in Sarajevo und in Banja Luka einige kluge Kollegen an die Arbeit gemacht.

ERICH RATHFELDER AUS SARAJEVO