piwik no script img

SPDPartei der "Kameradenschweine"

Ein Machtwort von Kurt Beck - und schon liegt dem SPD-Chef fast die gesamte Partei zu Füßen. Er hat vor allem drei Leute im Verdacht, ihn zu diskreditieren.

"Ich bin es, der die Linie vorgibt": SPD-Chef Kurt Beck Bild: dpa

Wenn das mal nicht verdächtig ist. Kaum hat Kurt Beck am Montag ein Machtwort gesprochen, schon loben sie ihn dafür am Tag danach fast alle in der SPD, die Parteilinken genauso wie die Konservativen des "Seeheimer Kreises", der Chef der Bundestagsfraktion, die Vorsitzenden der Landesverbände, jetzige Minister, frühere Minister Die Liste der Unterstützungs- und Ergebenheitsadressen für den SPD-Chef will schier kein Ende nehmen.

"Es war mal nötig, dass er klargemacht hat, wo der Hammer hängt", sagt die designierte stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles. Beck sei ein "Mann in der Mitte der Partei". Die Parteilinke unterstütze ihn.

KURT BECK IM O-TON

"So einen Scheiß lasse ich mir nicht mehr bieten." (Beck im Parteirat der SPD am Montagnachmittag

"Es gibt einige Leute in der dritten und vierten Reihe, die hinter Büschen sitzen und mehr oder weniger Intelligentes erzählen, auf jeden Fall Unverantwortliches. Und ich habe deutlich gemacht: Es ist jetzt gut." (Beck im Interview der ARD-Tagesthemen)

"Ich habe eine klare Vorstellung, wie die Sozialdemokratie ihre Aufgabe wahrzunehmen hat. Von den dertzeit ungünstigen Wahlumfragen werden wir uns nicht irremachen lassen. Diese Umfragen werden sich auch wieder ändern. Das habe ich allzu oft in meinem politischen Leben erlebt." (Beck in den Tagesthemen)

"Ich werde Ende 2008/Anfang 2009 einen Vorschlag machen, wer der SPD-Kanzlerkandidat sein wird. So wird es sein, nicht anders." (Beck in den Tagesthemen)

"Das ist das, was wir schon immer gefordert haben: klare Ansagen, Führung", sagt Johannes Kahrs, Sprecher des "Seeheimer Kreises". "Kurt Beck ist ein guter Vorsitzender." Die Sozialdemokraten, die schlecht über Beck reden, nennt Kahrs "Kameradenschweine".

"Es war an der Zeit, dass die mal einen Anpfiff bekommen haben", sagt Heiko Maas, Chef der saarländischen SPD.

Auch wenn sich viele Genossen nicht mehr an den genauen Wortlaut ihres Vorsitzenden erinnern können - den zehnminütigen Wutanfall, den Kurt Beck in der Sitzung des Parteirates am Montagnachmittag bekam, wird keiner von ihnen so schnell vergessen. Er war ungewöhnlich genug. "So einen Scheiß lasse ich mir nicht mehr bieten" - mit diesen oder ähnlichen Worten hatte Beck seine Kritiker angegriffen.

Er bezog sich auf die Tatsache, dass einige SPD-Politiker in vertraulichen Gesprächen mit Journalisten immer wieder seine Führungsfähigkeit und Eignung als Kanzlerkandidat in Frage stellten. Er sprach von "Leuten in der dritten und vierten Reihe, die hinter Büschen sitzen". Sollten weitere "Querschüsse" kommen, werde er künftig Namen nennen. Beck verwahrte sich zudem gegen pauschale Angriffe auf die Partei aus den eigenen Reihen. Jeder im Raum wusste, dass dies eine Breitseite gegen Finanzminister Peer Steinbrück war, der Teile der SPD als "Heulsusen" beschimpft hatte. "Diese Tonlage werde ich nicht mehr akzeptieren", sagte Beck.

Und weil er einmal dabei war, bekam gleich auch noch Franz Müntefering sein Fett weg; der Vizekanzler hatte zuletzt mehrere Festlegungen des Parteichefs - Verbot der NPD, höhere Renten für 2008, keine Koalitionen mit der Linkspartei - in Frage gestellt. Es gehe nicht an, dass Einzelne die politische Linie der SPD ständig neu definierten, ohne dass das abgesprochen sei, tobte Beck. "Ich bin es, der die Linie vorgibt."

Auch wenn Kurt Beck keinen einzigen Namen genannt hatte - alle, einschließlich der Kritisierten, hatten das Signal verstanden: Hier verteidigt ein Vorsitzender, der in der SPD viel beliebter ist als bei seinen innerparteilichen Rivalen und den Journalisten, seinen Führungsanspruch. Er demonstriert seine Autorität - bevor sie ihm entgleitet.

Sogar die "Leute aus der dritten und vierten Reihe" wurden plötzlich kleinlaut, obwohl viele in der Partei nicht wissen, wen Beck damit eigentlich meint. Einige der Angesprochenen kamen gleich nach der Sitzung aus ihren Büschen gekrochen und meldeten sich im Büro des Parteivorsitzenden. Sie wüssten gar nicht, wie Beck auf sie käme, sie hätten doch noch nie schlecht über ihn geredet Beck hat vor allem drei Leute im Verdacht, im Auftrag oder zumindest mit Wissen ihrer Chefs ihn als SPD-Chef zu diskreditieren: Tobias Dürr und Klaus Ness sowie Kajo Wasserhövel.

Dürr ist der "Denker" in der Potsdamer Staatskanzlei, Klaus Ness Generalsekretär der dortigen SPD. Beide zählen zu den wichtigsten Ratgebern von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Wasserhövel ist Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium und Vertrauter von Franz Müntefering.

Vor allem die Platzeck-Boys aus Potsdam sind dem Beck-Lager ein Dorn im Auge. Sie gelten als die Erfinder der Idee vom "vorsorgenden Sozialstaat". In den sechs Monaten, die Platzeck 2005/2006 SPD-Chef war, hat er diese Idee immer wieder propagiert. Sie macht für ihn den Kern einer modernen Sozialdemokratie aus. Platzeck und seine Berater werfen Beck versteckt vor, diese Idee in der Debatte über das neue Grundsatzprogramm der SPD nicht ausreichend in den Vordergrund zu schieben.

Beck als SPD-Chef versteht sich jedoch als Mann der Mitte, als Moderator der verschiedenen Parteiflügel. Er findet das Konzept des "vorsorgenden Sozialstaates" eigentlich richtig - aber die forsche, aggressive Tonlage, mit der sie von Platzeck und anderen vorgetragen wird, spaltet in seinen Augen die Partei. Viele Genossen erkennen darin nur eine nahtlose Fortsetzung der Agenda 2010 von Altkanzler Gerhard Schröder.

Das hat ja die jüngste Aufregung um das Buch gezeigt, das genau das zum Ziel hatte: die Idee vom "vorsorgenden Sozialstaat" wieder stark zu machen. Seine Herausgeber sind Platzeck, Steinbrück und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde es Montagabend - nur eine Stunde nach der denkwürdigen Sitzung des Parteirates. Auf dem Podium saßen Platzeck, Steinbrück und Steinmeier. In der ersten Reihe im Publikum warf Müntefering einen strengen Blick. Wer bei der Veranstaltung fehlte, war - Kurt Beck.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • K
    karl

    "Ich bin es, der die Linie vorgibt."

     

    armer böck. er traf sich mit

    sich selbst in der unendlichkeit.

  • HF
    Helmut Fuchs

    Diskreditieren kann sich der Herr Beck doch ganz alleine, da braucht es keine Verbalschützen aus dem Hinterhalt.

     

    Wenn ich mich z.B. an sein bodenloses Gefasel zum Thema Rundfunkgebühren für Arbeitsgeräte erinnere. Oder seine hanebüchenen Aussagen zum Lokführerstreik. Ich bin jedenfalls immer wieder überrascht, was für einen Quatsch der Mann reden kann.

     

    Wer dermaßen zielstrebig Fakten ignoriert und den Weg des geringsten Widerstands zu Lasten derer ohne Lobby geht, der darf sich auch nicht wundern, wenn ihn am Ende keiner wählen will.

     

    Innerparteiliche Opposition hat damit relativ wenig zu tun, aber Becks Ausbruch wirft ein bezeichnendes Licht auf seine Wahrnehmung. Erst die Partei, dann der Wähler.

  • L
    Langen-Vorberg

    Klarer Fall:

     

    'Wir sind Beck!', hat die SPD vorgeschrieben gekriegt.

     

    Jetzt muss sie noch warten, wie tief der F a l l ist, bei der Wall, äh: Wahl.

  • K
    karl

    "Ich bin es, der die Linie vorgibt."

     

    armer böck. er traf sich mit

    sich selbst in der unendlichkeit.

  • HF
    Helmut Fuchs

    Diskreditieren kann sich der Herr Beck doch ganz alleine, da braucht es keine Verbalschützen aus dem Hinterhalt.

     

    Wenn ich mich z.B. an sein bodenloses Gefasel zum Thema Rundfunkgebühren für Arbeitsgeräte erinnere. Oder seine hanebüchenen Aussagen zum Lokführerstreik. Ich bin jedenfalls immer wieder überrascht, was für einen Quatsch der Mann reden kann.

     

    Wer dermaßen zielstrebig Fakten ignoriert und den Weg des geringsten Widerstands zu Lasten derer ohne Lobby geht, der darf sich auch nicht wundern, wenn ihn am Ende keiner wählen will.

     

    Innerparteiliche Opposition hat damit relativ wenig zu tun, aber Becks Ausbruch wirft ein bezeichnendes Licht auf seine Wahrnehmung. Erst die Partei, dann der Wähler.

  • L
    Langen-Vorberg

    Klarer Fall:

     

    'Wir sind Beck!', hat die SPD vorgeschrieben gekriegt.

     

    Jetzt muss sie noch warten, wie tief der F a l l ist, bei der Wall, äh: Wahl.

  • K
    karl

    "Ich bin es, der die Linie vorgibt."

     

    armer böck. er traf sich mit

    sich selbst in der unendlichkeit.

  • HF
    Helmut Fuchs

    Diskreditieren kann sich der Herr Beck doch ganz alleine, da braucht es keine Verbalschützen aus dem Hinterhalt.

     

    Wenn ich mich z.B. an sein bodenloses Gefasel zum Thema Rundfunkgebühren für Arbeitsgeräte erinnere. Oder seine hanebüchenen Aussagen zum Lokführerstreik. Ich bin jedenfalls immer wieder überrascht, was für einen Quatsch der Mann reden kann.

     

    Wer dermaßen zielstrebig Fakten ignoriert und den Weg des geringsten Widerstands zu Lasten derer ohne Lobby geht, der darf sich auch nicht wundern, wenn ihn am Ende keiner wählen will.

     

    Innerparteiliche Opposition hat damit relativ wenig zu tun, aber Becks Ausbruch wirft ein bezeichnendes Licht auf seine Wahrnehmung. Erst die Partei, dann der Wähler.

  • L
    Langen-Vorberg

    Klarer Fall:

     

    'Wir sind Beck!', hat die SPD vorgeschrieben gekriegt.

     

    Jetzt muss sie noch warten, wie tief der F a l l ist, bei der Wall, äh: Wahl.