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SPD will Dagmar ZieglerViel Rauch um nichts

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD-Fraktion hat eine Neigung, Probleme, die keine Bedeutung haben, in dramatischer Form zu verhandeln. Was machen sie, wenn es mal um etwas geht?

Dagmar Ziegler hat sich einen gewichtigen Posten erstritten: den der Bundestagsvizepräsidentin Foto: Jörg Carstensen/ dpa

W enn man die SPD an der Qualität ihrer Machtkämpfe misst, sieht es nicht gut aus. Bei der Auseinandersetzung zwischen Schröder und Lafontaine ging es, bei allen Eitelkeiten, die solche Rivalitäten mit sich bringen, um zentrale Fragen – wie national oder global, wie etatistisch oder neoliberal sollte die Republik sein. Als Kevin Kühnert sich mit der Parteispitze wegen der Groko anlegte, ging es darum, ob der SPD ihre Identität oder die Staatsräson wichtiger war. Bei Reibereien zwischen Olaf Scholz und Martin Schulz drehte es sich eher um Stimmungen als um Inhalte. Und als Teile der Fraktion Andrea Nahles in die Wüste schickten, war das ein Frustventil wegen der miesen Lage, kein Richtungsstreit – so wie abstiegsbedrohte Vereine Trainer feuern.

Bei dem Machtkampf zwischen Dagmar Ziegler und Ulla Schmidt haben wir es mit einer weiteren Schrumpfversion des Phänomens zu tun. Wir sehen zwar bekannte dramaturgische Elemente. Es gibt Rangeleien im Vorfeld, eine Kampfabstimmung, die im Patt endet, das durch noblen Verzicht in letzter Minute aufgelöst wird – aber es geht um sehr wenig. Der Posten der Bundestagsvizepräsidentin ist eher repräsentativ als einflussreich. Beide Rivalinnen sind sowieso nur noch ein paar Monate im Bundestag. Ein politischer Inhalt ist auch mit dem Mikroskop nicht zu erkennen. Viel Rauch um nichts.

Rolf Mützenich wollte unbedingt Dagmar Ziegler, weil die Ostdeutsche als Bundestagsvizepräsidentin der SPD in den schweren Wahlkämpfen in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern helfen kann. Wirklich? Die Idee, dass eine Brandenburgerin im Spätherbst ihrer politischen Karriere die Thüringer zur Wahl der SPD animieren könnte, ist doch recht gewagt. Warum Mützenich niemand mit politischer Zukunft vorgeschlagen hat, ist ein Rätsel dieser Geschichte. Dass die SPD-Fraktion ihren Chef mit dem Patt an den Rand einer Blamage treiben musste, ein weiteres. Mützenich scheint den Eigensinn der Fraktion zu unterschätzen, ein Teil der Fraktion den Machtwillen des freundlichen Rolf Mützenich.

Die SPD-Fraktion hat inklusive ihrer Führung eine Neigung, Probleme, die keine Bedeutung haben, in dramatischer Form zu verhandeln. Damit drängt sich eine Frage auf. Was machen Mützenich und die SPD-Fraktion, wenn eine Machtfrage zu entscheiden ist, bei der es um etwas geht?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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1 Kommentar

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  • "Was machen Mützenich und die SPD-Fraktion, wenn eine Machtfrage zu entscheiden ist, bei der es um etwas geht?" Als Regierungsfraktion entscheidet die SPD-Fraktion (seit über 20 Jahren mit kurzer Unterbrechung) jeden Tag über Machtfragen bei denen es um etwas geht, und so wie Deutschland dasteht sind diese Entscheidungen wahrscheinlich gar nicht so falsch. Dass sich mehrere Personen um einen zu vergebenden Posten bewerben, ist in einer demokratischen Partei ein ganz normaler Vorgang, auch wenn für mache Journalisten der Berliner Republik alles, was nicht in Hinterzimmern abgesprochen wird eib Riesendrama zu sein scheint.