SPD und Demokratiefördergesetz: Geld gegen rechts
Diese Woche will die Regierung ein Paket gegen Rechtsextremismus vorlegen. Die SPD kämpft für ein Demokratiefördergesetz.
Die Bundesregierung plant einen großen Wurf, eine starke Antwort auf den zuletzt erstarkten Hass. Am Mittwoch will der Kabinettsausschusses zur Bekämpfung des Rechtsextremismus einen Maßnahmenkatalog vorlegen. Kurz vor knapp kämpfen nun SPD und Teile der Zivilgesellschaft dafür, dass ein bereits beerdigtes Projekt doch noch in dieses Paket kommt: ein Demokratiefördergesetz.
Der Kabinettsausschuss war im März, nach dem rechtsterroristischen Attentat von Hanau mit zehn Toten, gegründet worden. Für den Maßnahmenkatalog hatten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits im Oktober auf Kernpunkte geeinigt: Ein Bundesbeauftragter gegen Rassismus soll ab 2022 eingesetzt werden, der Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz raus, der Verfassungsschutz bekommt mehr Befugnisse, zwei Studien sollen Rassismus in der Gesellschaft und den Arbeitsalltag der Polizei beleuchten.
Die SPD aber hatte eigentlich auch auf ein Demokratiefördergesetz gepocht, das Projekte gegen Extremismus dauerhaft absichern würde. Bisher müssen Intitiativen wie die Amedeu-Antonio Stiftung oder Aktion Sühnezeichen alle vier Jahre neue Konzepte einreichen, um eine Bundesförderung zu erhalten – eine wiederkehrende Zitterpartie. Die Projektträger fordern deshalb seit Jahren das Gesetz. Die SPD schloss sich an, allen voran Familienministerin Franziska Giffey.
Merkel und Seehofer aber lehnten ein Demokratiefördergesetz ab. In der internen Einigung vom Oktober heißt es zwar, die bisherigen Demokratieprojekte seien „langfristig abzusichern“. Dafür schaffe man „verlässliche Rahmenbedingungen“. Aber: „Einer gesetzlichen Grundlage bedarf es hierfür nicht.“
SPD macht nochmal Druck
Nun will die SPD, kurz vor der Ausschusssitzung, das Paket nochmal aufschnüren. Schon nach der Absage im Oktober hatte Giffey bekräftigt, weiter für das Demokratiefördergesetz einzutreten. Auch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach sich weiter dafür aus. Nun macht auch SPD-Chefin Saskia Esken nochmal Druck.
„Wir erleben gerade wie Rechtsextreme unsere Demokratie offen angreifen. Vor diesem Hintergrund ist die Blockade der Union beim Demokratiefördergesetz nicht nur unverständlich, sondern gefährlich“, sagte Esken der taz. Man dürfe die Menschen, die täglich die Demokratie verteidigten, nicht allein lassen. „Diese Initiativen leisten eine wichtige Arbeit und verdienen deshalb eine dauerhafte Finanzierung. CDU und CSU müssen ihre Haltung überdenken – wir müssen den Feinden der Demokratie entschlossen entgegentreten.“
Stärkung von Demokratieinitiativen wichtig
Auch die SPD-Fraktion im Bundestag besteht auf das Gesetz, forderte dieses erst am Freitag in einer Aktuellen Stunde im Parlament ein. SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese verwies auch darauf, wie Rechtsextreme und Verschwörungsideologen gerade versuchten, die Demokratie „zu zerstören“. Die Stärkung von Demokratieinitiativen sei deshalb wichtig. „Die Abwehrhaltung gegen deren verstetigte Finanzierung über ein Demokratiefördergesetz ist gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse nicht nachvollziehbar“, kritisiert Wiese.
Die Union jedoch sperrt sich. Ein Gesetz würde tief ins Budgetrecht des Bundestags eingreifen, heißt es dort. Es müsse möglich bleiben, einzelne Projekte auch nicht weiter zu fördern. Zudem habe man die Gelder für die Projekte in den vergangenen Jahren bereits von 40 auf 115 Millionen Euro erhöht.
Abstimmungsprozess noch nicht zu Ende
In Seehofers Innenministerium verwies man bis zuletzt auf die Vereinbarung mit Scholz und Merkel: Diese habe Bestand. Aktuell gibt man sich im Innenministerium zurückhaltender. Aufgrund der andauernden Abstimmungsprozesse äußere man sich nicht zu einzelnen Verhandlungspunkten, erklärte ein Sprecher.
Ein Sprecher von Giffey betont: „Der ressortübergreifende Abstimmungsprozess ist noch nicht abgeschlossen.“ Das Familienministerium bemühe sich weiterhin, die Zeit bis zum Abschluss der Arbeiten des Kabinettsausschusses zu nutzen, um beim Demokratiefördergesetz doch noch weiterzukommen.
Brief von 60 Projektträgern
Auch mehrere Demokratie-Initiativen versuchen noch, die Union umzustimmen. Erst vor wenigen Tagen schickten mehr als 60 Projektträger einen Brief an die Bundesregierung, welcher der taz vorliegt. Das Engagement für demokratische Kultur werde „seit Jahren angegriffen wie nie zuvor“, heißt es darin. Eine kritische Zivilgesellschaft gesetzlich zu schützen sei in dieser Situation „wichtiger denn je für unsere liberale und offene, demokratische Gesellschaft“.
Den Status Quo schildern die Initiativen – darunter die Amadeu Antonio Stiftung, die Türkische Gemeinde, Aktion Sühnezeichen oder der Zentralrat der Sinti und Roma – dagegen ernüchtert „Lassen Sie uns deutlich sagen: Die bisherige Form der Unterstützung von zivilgesellschaftlicher Demokratiearbeit ist demotivierend.“
Ohne das Demokratiefördergesetz, bei dem eine Qualitätskontrolle selbstverständlich sei, bleibe der Regierungskompromiss, die Projektarbeit langfristig abzusichern, „ohne Substanz“. Im schlimmsten Fall, so fürchten die Initiativen, könnten ab 2022 sonst wieder Gelder zusammengestrichen oder umverteilt und „die so wichtige Arbeit vieler Projekte erneut in Frage gestellt“ werden.
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