■ SPD und CDU halten am bestehenden Rentensystem fest: Die Rente bleibt unsicher
Es kommt in diesen Wahlkampfzeiten selten vor, daß sich Opposition und Union einig sind. Wenn es aber um das Thema Rente geht, werden die Reihen zu einer Großen Koalition geschlossen. Unisono lehnten SPD-Parteichef Oskar Lafontaine und Bundesarbeitsminister Norbert Blüm auf der Mitgliederversammlung der Rentenversicherungsträger eine Abkehr von der jetzigen Altersversorgung ab. Beide stützen sich dabei auf das jüngste Prognos-Gutachten, das ihnen das Verharren im Status quo erleichtert. Bis zum Jahr 2002, so das Baseler Institut, sei mit einem stabilen Beitragssatz um die 20 Prozent zu rechnen.
Dabei zeigt das System schon heute Auflösungserscheinungen. Der Bund wird in diesem Jahr zusätzlich rund neun Milliarden Mark in die Rentenkasse geben, eine Summe, die aus aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer geschöpft wird. Einen deutlicheren Beweis, daß die Beitragszahlungen, der Kern des jetzigen Systems, in immer stärkerem Maße durch Zuwendungen aus dem allgemeinen Steueraufkommen begleitet werden müssen, gibt es wohl nicht. Je mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit fallen, um so weniger fließt in die Rentenkasse. Das ist eine einfache Gleichung, die Alternativen eigentlich herausfordern müßte. Und doch wird die Frage nach der Perspektive des Rentensystem weiterhin ausgeklammert. Das war schon in den vergangenen Monaten so, dies gilt um so mehr vor der Bundestagswahl. Den Verdrängungskünstlern Blüm und Lafontaine kommen dabei die Prognos-Berechnungen zu Hilfe. Sie geben der Rentenversicherung eine längere Atempause. Im Jahr 2010 soll der Beitragssatz bei rund 21 Prozent liegen. Doch das Szenario danach macht eine Umkehr fast zwingend. Im Jahr 2040 werden in der Bundesrepublik rund zehn Millionen Menschen weniger leben, wird die Überalterung weiter zugenommen haben. Die Gutachter weisen zwei Varianten auf: Die optimistischere weist den Weg zurück in eine Fast-Vollerwerbsgesellschaft mit einer Arbeitslosenquote von unter fünf Prozent. Die andere, und sie scheint die wahrscheinlichere zu sein, prognostiziert rund acht Millionen Arbeitsplätze weniger als heute. In beiden Fällen aber wird der Rentenbeitragssatz auf rund 24 Prozent ansteigen — und damit die Belastung für Arbeit- und Unternehmer kaum noch tragbar sein. Neue Modelle für das Rentensystem sind also so oder so gefragt. Es ist aber kaum wahrscheinlich, daß das Rentensystem in der kommenden Legislaturperiode reformiert wird. Denn auch Gerhard Schröder hat schon sein Credo formuliert: Beim Rentensystem werde auch eine von ihm geführte Regierung vorerst alles bei alten belassen. Schöne Aussichten. Severin Weiland
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