SPD kritisiert Union wegen Mindestlohn: "Merkel ist ein Wackel-Dackel"
Die SPD attackiert die unterschiedlichen Haltungen der CDU in der Mindestlohn-Debatte. Es sei nicht akzeptabel, dass die Union nur herumeiere.
BERLIN taz | Die Opposition hat die unterschiedlichen Haltungen in der Union zum Mindestlohn gerügt. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil erklärte im Bundestag: "Es ist nicht akzeptabel, wenn Sie sich nur hinstellen und herumeiern." SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bezeichnete Angela Merkel in der Mindestlohnfrage als "Wackel-Dackel".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zwar zu Lohnuntergrenzen bekannt. Sie schränkte aber ein, diese müssten regional- und branchenspezifisch sein. Der Arbeitnehmerflügel der Union (CDA) spricht sich hingegen für eine allgemeine, verbindliche Lohnuntergrenze aus. Die Mindestentgelte sollten sich an den Löhnen in der Zeitarbeit orientieren. Diese liegen bei 7,01 Euro brutto im Osten und 7,89 Euro im Westen.
Die FDP ist strikt gegen eine verbindliche Lohnuntergrenze für alle Branchen. Eine allgemeine Lohnuntergrenze von Aachen bis Cottbus führe zu höherer Arbeitslosigkeit, erklärte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP, Johannes Vogel.
Andernorts werden verschiedene Untergrenzen genannt. Als unterste Haltelinie sei ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn "nicht unter 8,50 Euro" in der Stunde nötig, sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki der Nachrichtenagentur dpa. Auch Andrea Nahles sprach sich für eine gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro aus.
Forscher der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung machten eigene Rechnungen zur Höhe des Mindestlohns auf. Die Pfändungsfreigrenze liegt bei einem alleinstehenden Erwerbstätigen im Monat bei 1.030 Euro netto. Ein alleinstehender Beschäftigter mit einer 38-Stunden-Woche müsste aktuell mindestens 8,62 Euro brutto pro Stunde verdienen, um netto ein Einkommen auf Höhe der Pfändungsfreigrenze zu erzielen, so die Wissenschaftler.
Die zweite Berechnung bezieht mit ein, dass Arbeitnehmer mit niedrigen Verdiensten ein Anrecht darauf haben, ihr Arbeitseinkommen mit Arbeitslosengeld II (Hartz IV) aufzustocken. Mit einer 40-Stunden-Woche müsste demnach ein Beschäftigter mindestens 8,50 Euro brutto in der Stunde verdienen, um keinen Anspruch mehr auf ergänzende Leistungen nach Hartz IV zu haben, so die Berechnungen der Böckler-Stiftung.
In Frankreich wurde der Mindestlohn unterdessen auf 9,19 Euro brutto in der Stunde erhöht. In der aktuellen Stunde des Bundestages warnte der CSU-Arbeitsmarktexperte Max Straubinger allerdings vor direkten Vergleichen. In Frankreich würden die Mindestlöhne vom Staat hochsubventioniert. Der Staat schieße im Jahr 30 Milliarden Euro für die Sozialbeiträge bei Mindestlöhnen hinzu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Privatjet auf Sylt besprüht
Haftstrafen für Letzte Generation – ohne Bewährung
Abtreibungen legalisieren
Beschwörung eines „Kulturkampfes“, den es nicht gibt
Kürzungen im Kulturetat von Berlin
Gehen Kassiererinnen in die Oper?
Offensive in Syrien
Ist ein freies Syrien möglich?
Pressefreiheit in Israel
Bibis Medien-Blockade
Krankenkassen-Infos zur E-Patientenakte
Vorteile? Ja. Nachteile? Schweigen…