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SPD gewinnt AbgeordnetenhauswahlGiffey doch ganz vorn

Ergebnisse stehen fest: Lange gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Grünen. Am Ende setzte sich Umfrage-Favoritin Franziska Giffey durch.

Hat Grund zur Freude: Franziska Giffey bei der Wahlparty der Berliner SPD in Kreuzberg Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Berlin dpa | Die SPD hat die Abgeordnetenhauswahl in Berlin gewonnen – und die Hauptstadt bekommt eine Regierende Bürgermeisterin. Die Partei mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey erreichte am Sonntag nach Auszählung aller Stimmbezirke 21,4 Prozent und landete damit vor den Grünen, die mit 18,9 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Berlin-Wahl erzielten. Die CDU erreichte laut Angaben der Landeswahlleitung 18,1 Prozent, die Linke kam auf 14,0 Prozent, die AfD erreichte 8,0 Prozent, die FDP 7,1 Prozent.

Für Diskussionen sorgte die Abgeordnetenhauswahl wegen organisatorischer Probleme. Fehlende und vertauschte Stimmzettel und Probleme bei Nachlieferungen hatten zur Folge, dass einige Wähler lange warten mussten und ihre Stimme erst deutlich nach 18.00 Uhr abgaben. Gezählt wurde bis in die Morgenstunden.

Am Sonntagabend schien zunächst für die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch das Amt der Regierungschefin für ihre Partei in Reichweite. Dann aber schob sich im Lauf des Abends in Hochrechnungen die SPD mit Spitzenfrau Giffey nach vorn. Beide Parteien könnten wie bisher weiter miteinander und mit der Linken koalieren.

„Wir haben hier ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Grünen, das heißt, es gibt ein klares Votum für SPD und Grüne, damit müssen wir umgehen“, sagte Giffey dem Sender Phoenix. Man werde im Falle des Wahlsieges auch mit allen anderen Parteien sprechen, aber der Wählerwille sei deutlich.

Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch sagte demselben Sender, sie wolle an einem „progressiven Regierungsbündnis“ mit SPD und Linken festhalten. „Wir haben in dieser rot-rot-grünen Koalition viele Dinge angefangen, die die Leute gut finden“, sagte Jarasch. „Deswegen habe ich auch von Anfang an gesagt, dass ich diese progressive Koalition gerne fortsetzen möchte, aber eben unter grüner Führung.“

Denkbare Dreierbündnisse

Denkbar waren aber auch andere Dreierbündnisse. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner sagte am Sonntagabend, seine Partei sei angetreten, um Rot-Rot-Grün zu beenden, und die Zahlen könnten das vielleicht auch noch hergeben. Die CDU erreichte aber wieder eines der schlechtesten Ergebnisse der Nachkriegszeit.

FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja bekräftigte die Bereitschaft, mit allen Parteien bis auf Linke und AfD zu sprechen. Deren Frontfrau Kristin Brinker betonte, im Wahlkampf hätten viele Bürger Interesse an den AfD-Themen gezeigt.

In der Hauptstadt war der Sonntag ein Superwahltag. Die Berliner konnten neben dem Abgeordnetenhaus auch den neuen Bundestag und zwölf neue Bezirksparlamente wählen. Topthemen im Wahlkampf waren Mieten und Wohnen, Verkehr, Klimaschutz, Bildung und Corona. Beim Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen ging es zudem darum, ob große Wohnungskonzerne enteignet werden sollen.

Wahlberechtigt waren in Berlin rund 2,45 Millionen Menschen. Doch lief bei der Stimmabgabe bei weitem nicht alles rund. Teils fehlten Wahlzettel. Der Berlin-Marathon sorgte für Verzögerungen. Teils bildeten sich lange Schlangen, Wartezeiten betrugen bis zu zwei Stunden. Einige Wahllokale blieben länger offen. Mancher stimmte noch ab, während im Fernsehen die Wahlprognosen liefen.

2016 hatte die SPD die Wahl zum Abgeordnetenhaus mit 21,6 Prozent der Zweitstimmen gewonnen – ihrem schlechtesten Ergebnis in Berlin seit 1946. Die CDU erreichte damals 17,6 Prozent. Die Linke kam vor fünf Jahren auf 15,6 Prozent, die Grünen auf 15,2 Prozent. Die AfD war mit 14,2 Prozent erstmals in das Abgeordnetenhaus eingezogen, die FDP schaffte 6,7 Prozent. Das Berliner Landesparlament besteht aus mindestens 130 Abgeordneten, zurzeit sind es aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten 160.

Hinweis: In einer ersten Version dieses Textes stand, dass Berlin mit diesem Wahlergebnis erstmals eine regierende Bürgermeisterin bekommt. Das ist nicht richtig: Von 1947 bis 1948 war bereits Louise Schroeder kommissarische Oberbürgermeisterin Berlins.

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4 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Man kann nur hoffen, dass diese Stadt in Kürze wieder auf "normal" gestellt wird.



    Viel zu viele Dilettanten sind hier am Werk.



    Gestern, beim Wahldebakel, hat ein Bürger gesagt: "Wer zu blöd ist einen Flughafen zu bauen, der kann auch keine Wahlen organisieren. (Abendschau?)

    Die Hoffnung stirbt zuletzt!

  • Nun, anscheinend möchten die Berliner wohl doch keine Enteignung von Deutsche Wohnen.

  • Jemanden wie Giffey vorne zu sehen, hat nach Umfragen im Bekanntenkreis alle betrübt. Na ja, für Berlin reichts.



    Immerhin hat Giffey schnell gelernt, dass ihre Deutschlandkoalition mit Losern nichts bringt (sie sollte öfters auf Profis wie Wowereit hören, auch wenn wir dem den Ausbau der A 100 verdanken, dem perfekten Klimaverbrechen).



    Giffey wird den Volksentscheid mit Füßen treten, ihn also erstmal "auf seine positiven Seiten" in Amtsstuben untersuchen lassen (so verkauft man das dann). Sie war ja schon gegen den Mietendeckel! Zu befürchten sind außerdem noch mehr Feinstaub, endlose Blechlawinen im Stau in der Innenstadt in einer den Anforderungen nicht gewachsenen Billigkopie einer Metropole, Hauptstadt der Plagiate, schon rein architektonisch.



    Wenn man Giffey mit den Bürgermeistern Londons und Paris vergleicht, also Sadiq Khan und Anne Hidalgo, sind wir hier unterste Schublade. Mir fiel auf, dass Raed Saleh als SPD-Chef in der Innenstadt nirgendwo plakatiert wurde... warum wohl?. Es wählen ja fast nur die Weißen. Jeder dritte Berliner hat gar kein Wahlrecht:



    www.rbb24.de/polit...lin-wahlrecht.html

    • @Ataraxia:

      Warum vergleichen Sie Berlin mit London und Paris, wenn doch schon Hamburg, Frankfurt oder Leipzig von viel professionelleren Politikern sehr viel besser und effizienter regiert werden? Das politische Personal Berlins besteht parteiübergreifend nahezu samt und sonders aus Dilettanten. Giffey kommt ja nun wirklich noch am besten rüber. Man stelle sich mal vor, die Stadt würde von Monika Herrmann oder einem dieser CDU-Leute vom Typ westberliner Autohändler regiert.