SPD-Parteitag: Ritual und Raucherraum
Bürgermeister Olaf Scholz wurde als Parteichef bestätigt. Und die einzig strittige Debatte auf dem Parteitag der SPD endete am Samstag mit einem Kompromiss.
Bürgermeister Olaf Scholz bleibt Vorsitzender der Hamburger SPD. Mit 308 von 327 Stimmen wurde er - bei 15 Mal Nein und vier Enthaltungen - am Samstag im Amt bestätigt. Mit 94,2 Prozent lag er auf dem Parteitag im CCH nur leicht unter seiner Marke von 96,7 Prozent, erzielt im Jahr 2010.
Damit ist Scholz der erste Hamburger Sozialdemokrat, der Regierungschef und Parteivorsitzender zugleich ist. Bislang galt in der SPD das ungeschriebene Gesetz, dass diese Posten personell getrennt werden. Für den 53-jährigen Scholz, der die Hamburger SPD 2011 nach zehn Jahren Opposition mit absoluter Mehrheit wieder in den Senat führte, gelten offenbar eigene Regeln.
In seiner gut einstündigen Rede streichelte Scholz am Samstag erst mal die Seele der Partei: Der Wahlerfolg sei "nicht der Erfolg eines Einzelnen", beteuerte er, "sondern von uns allen". Zugleich verteidigte er den Sparkurs seines Senats gegen die jüngste Kritik auch aus den eigenen Reihen. "Wir können nicht alle Wünsche erfüllen und dafür weiter Schulden machen", so Scholz, "sondern müssen abwägen."
Zu den Prioritäten gehöre die erhöhte Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Abschaffung der Studiengebühren, der Rechtsanspruch auf Kitaplätze samt kostenlosem Mittagessen, Ganztagsschulen und mehr Lehrer für kleinere Klassen. Dafür müsse an anderen Stellen punktuell gespart werden. "Ohne neue Schulden zu regieren, erfordert ein neues Denken", mahnte Scholz - mit Erfolg, wie sein Wahlergebnis zeigte.
Davon kann Johannes Kahrs nur träumen. Der Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende in Mitte fiel im ersten Wahlgang mit 127 von 310 Stimmen glatt durch. Erst nach Scholz Aufruf, "diese Rituale bitte zu lassen", kam der Partei-Rechtsaußen im zweiten Wahlgang mit 61,3 Prozent - 190 Ja - doch noch in den Landesvorstand.
In weiten Teilen der Hamburger SPD gilt Kahrs als intriganter Strippenzieher. Auf Parteitagen wird er deshalb regelmäßig im ersten Wahlgang abgewatscht. Dass der Unmut dieses Mal besonders groß war, liegt am Tod des Mädchens Chantal: Er führte unter anderem zu Kahrs Rückzug vom Vorsitz des Jugendhilfeausschusses im Bezirk Mitte.
Das bekam auch Markus Schreiber zu spüren, der wegen dieses Skandals seinen Posten als Bezirksamtsleiter verloren hatte. Er schaffte es mit 200 Stimmen - 62,9 Prozent - gerade so als Beisitzer in den Landesvorstand.
Der jetzt als Prokurist in der Immobilienwirtschaft tätige Schreiber hatte sich in seiner Bewerbungsrede noch mal zu seiner Verantwortung in dem Chantal-Skandal bekannt. An seinem 52. Geburtstag würde er sich aber über ein "kleines Präsent" und "eine weitere politische Perspektive freuen".
Das nach Scholz beste Ergebnis erreichte die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz mit 275 Stimmen (88,7 Prozent). Mit diesem ersten Einzug in den Landesvorstand festigt die 45-Jährige ihre Aussichten auf die Hamburger Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl 2013.
Die einzige strittige Debatte endete mit einem Kompromiss: Danach wird es in Hamburg kein grundsätzliches und ausnahmsloses Rauchverbot in der Gastronomie geben. Bei der Novellierung des Gesetzes solle die Fraktion stattdessen, so beschloss der Parteitag, das Qualmen in Eckkneipen und in Raucherräumen von Restaurants erlauben. "Es gibt nichts Sozialdemokratischeres", begründete Mitte-Bezirksamtsleiter Andy Grote diese Regelung, "als verrauchte Eckkneipen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben