Feldmann und das System AWO

Hat der Frankfurter Oberbürgermeister Gefälligkeiten gegen eigene Vorteile verteilt? Das soll das Frankfurter Landgericht klären. Zum Prozessauftakt gab es private E-Mails – aber kein Geständnis

„Lieber Peter, wir brauchen Deine Unterstützung“

Hannelore Richter, AWO

Aus Frankfurt am Main Christoph Schmidt-Lunau

Unter großem Medienandrang hat vor dem Frankfurter Landgericht der Korruptionsprozess gegen den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, SPD, begonnen. Vorteilsnahme im Amt wirft die Staatsanwaltschaft Feldmann vor. In „stillschweigendem Einvernehmen“ mit den Verantwortlichen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) habe Feldmann für sich und seine inzwischen von ihm getrennt lebende Ehefrau Vorteile angenommen. Im Gegenzug habe er sich als OB für die AWO eingesetzt, so die Anklage. Auch gegen Feldmanns Ehefrau wird strafrechtlich ermittelt.

Feldmann ist schon bald nach seiner Wiederwahl 2018 als Frankfurter OB in das Visier strafrechtlicher Ermittlungen geraten, als die sogenannte AWO-Affäre bundesweit Schlagzeilen machte. Den langjährigen GeschäftsführerInnen der AWO in Wiesbaden und Frankfurt, Hannelore und Jürgen Richter, wird vorgeworfen, in einem weitverzweigten System in die eigenen Taschen gewirtschaftet zu haben – mit überhöhten Gehältern und Luxusdienstautos für sich selbst und andere. Gegen das Ehepaar Richter und ein Dutzend ihrer UnterstützerInnen laufen Ermittlungsverfahren, Straf- und Zivilprozesse. Durch das Geflecht aus Korruption und Gefälligkeiten sollen sie über Jahre hinweg auch bei öffentlichen Auftraggebern ungerechtfertigt abkassiert haben.

Ein gemeinsames Abendessen der befreundeten Ehepaare Richter und Feldmann im Mai 2015 nennt die Anklage als Beginn des in ihrer Sicht kriminellen Bündnisses zwischen AWO und OB. An diesem Abend sei vereinbart worden, dass Feldmanns damalige Lebenspartnerin und spätere Ehefrau die Leitung einer deutsch-türkischen Kita übernehmen sollte, zu einem für eine Berufsanfängerin fürstlichen Salär von 4.500 Euro monatlich plus Dienstwagen, „deutlich überhöht, auch im Vergleich zu anderen Gehältern bei der AWO“, so die Staatsanwaltschaft. Auch eine bezahlte „Hospitanz“ vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn wertet sie als Vorteilsgewährung.

Für Feldmanns Wiederwahlkampagne habe Frau Richter zudem fast 6.000 Euro Spenden eingetrieben. Mit dieser Summe sei die Erwartung verbunden gewesen, dass sich der OB in seinem Amt „wohlwollend“ für die Interessen der AWO einsetzen würde, was nach Sicht der Anklage auch geschehen sei.

Die Vorgänge und die E-Mails, mit denen die Staatsanwaltschaft die „stillschweigende Vereinbarung“ belegen will, legen tatsächlich ein enges Vertrauensverhältnis nahe. Der OB beendet interne Mails „mit roten und lieben Grüßen“. Hannelore Richter verlangt von Feldmann in Konflikten mit der städtischen Verwaltung wiederholt Beistand. „Lieber Peter, wir brauchen Deine Unterstützung“, verlangt sie einmal.

Inzwischen steht wohl fest, dass Feldmann in diesen Konflikten auf der falschen Seite agiert hat. Die Bedenken und Einsprüche der städtischen Revisoren waren im Einzelfall wohl mehr als berechtigt. Doch hat Feldmann wegen zuvor gewährter Vorteile für sich und seine Ehefrau „geliefert“? Das bleibt die Kernfrage in diesem Prozess.

Feldmann beteuert: „Ich war und bin nicht käuflich.“ Nach dem Prozessauftakt kündigte seine Verteidigung eine ausführliche Stellungnahme an, die die Argumentation der Anklage widerlegen soll. Der Prozess geht kommende Woche weiter. Zeitgleich läuft in Frankfurt eine Bürgerabstimmung über die Abwahl des OB. Wenn am 6. November mindestens 30 Prozent der wahlberechtigten FrankfurterInnen aktiv für dessen Abwahl stimmen, verliert Feldmann sein Amt.

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