SPD-Klausur: Die Mieterpartei SPD tut sich schwer
Weil der Spielraum für eine Mietpreisbegrenzung gering ist, will sich die SPD auf eine neue Liegenschaftspolitik und die Wohnungsbaugesellschaften konzentireren. Doch die schießen quer.
Das Timing war denkbar schlecht. Kaum hatten sich die 54 Berliner SPD-Abgeordneten auf den Weg nach Eisenach gemacht, um sich auf ihrer Klausursitzung neben einer grünen Industriepolitik und sozialer Integration das Thema Mietenpolitik vorzuknöpfen, flatterte den Mietern der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge in Buch ein Mieterhöhungsschreiben ins Haus. Nach Beendigung der geplanten Sanierung solle die Miete um bis zu 100 Prozent steigen - bei manchen Bewohnern der 3.127 Plattenbauwohnungen sogar auf 12,45 Euro warm pro Quadratmeter. Eine schlechte Botschaft - auch für die traditionelle Mieterpartei SPD.
Dass das Mietenthema nicht unbedingt ein Gewinnerthema ist, weiß auch Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) bewusst. Sie sprach zu den Abgeordneten lieber über die so genannten Aktionsräume plus, in denen die Förderprogramme der sozialen Stadt gebündelt werden sollen, sowie über einen neuen Umgang mit landeseigenen Grundstücken. "Eine solidarische Liegenschaftspolitik bedeutet, an die Richtigen zu verkaufen, das Richtige zu behalten und das Richtige dazuzukaufen", sagte die Senatorin. Immerhin: Nach der Ära Sarrazin, in der landeseigene Grundstücke in der Regel an den Meistbietenden verlauft wurden, scheinen unter seinem Nachfolgers Ulrich Nußbaum auch stadtentwicklungspolitische Belange Berücksichtigung zu finden.
Den Spielraum für eine mieterfreundliche Politik auszuloten, war der Job von Reiner Wild. Der neue Geschäftsführer des Mieterverein dämpfte aber den Optimismus. "Die Politik hat die soziale Entmischung in der Vergangenheit nicht verhindern können." Zwar sei die Forderungen der Berliner SPD richtig, die Mietsteigerung künftig auf 15 Prozent in vier Jahren zu begrenzen und auch bei Neuvermietungen eine Kappungsgrenze einzuführen. Doch alle Initiativen, im Bundesrat entsprechende Änderungen durchzusetzen, seien bislang gescheitert.
Wilds Botschaft lautete, jene Steuerungsmöglichkeiten wieder ernst zunehmen, die auch den Bezirken zur Verfügung stünden: Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen zu erschweren oder die Zweckentfremdung stärker zu ahnden. Wie nötig das sei, verdeutlichte er am Beispiel von Kreuzberg, einem der fünf "Aktionsräume" des Senats. "Schon heute ist die Bestandsmiete in Kreuzberg SO 36 höher als im Berliner Schnitt."
Beim Thema Gentrifizierung gingen die Meinungen auseinander. Während die Abgeordnete Ülker Radzwill vor einer weiteren Aufwertung und Verdrängung warnte, betonte Junge-Reyer die Notwendigkeit des Zuzugs von Besserverdienende in so genannte Problemquartiere. "Wenn in ein Haus, in dem nur Arbeitslose leben, einer einzieht, der Arbeit hat, ist das doch gut und nicht schlecht", meinte Junge-Reyer.
Noch einen Schritt weiter ging der Regierende Bürgermeister. "In Rostock gibt es die gleichen sozialen Probleme wie in Berlin. Trotzdem sind da die Mieten höher." Statt für Mietbegrenzungen sprach sich Klaus Wowereit für eine höhere Eigentumsquote aus. "Man kauft bisher lieber dreimal im Leben einen Mercedes als einmal eine Wohnung, obwohl man die später sogar weitervererben kann."
Am Ende der Klausur verabschiedeten die Abgeordneten eine Resolution, in der neben den Forderungen an den Bund auch die "Vorbildfunktion" der städtischen Wohnungsbaugesellschaften betont wird. Immerhin ist die Howoge zurückgerudert. Nach Protesten des Mietervereins und wohl auch nach einigen Anrufen aus Eisenach versprach eine Howoge-Sprecherin am Wochenende, "die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mieter zu berücksichtigen". UWE RADA
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