SPD-Kandidatenkür: Mach mit, wenn Du kein Sozi bist!
Die SPD will wichtige Personalentscheidungen künftig per Urwahlen abstimmen lassen. Dagegen formiert sich Kritik. Hans Peter Bartels (SPD) fürchtet eine "Entwertung der Mitgliedschaft".
BERLIN dpa/taz | Die SPD-Spitze will die Partei öffnen und dabei auch Nichtmitgliedern Stimmrecht in wichtigen Personalfragen geben. Der Kanzlerkandidat sowie Bewerber für Landratsposten, aber auch Kandidaten für den Bundestag und für Landtage sollen künftig in der Regel in Urwahlen bestimmt werden, die auch für Nichtmitglieder offen sind. Das kündigte Generalsekretärin Andrea Nahles an.
Wahlen für Parteiämter, etwa die der Vorsitzenden, sollen weiter nur Mitgliedern vorbehalten bleiben. "Wir wollen die Beteiligung von Nichtmitgliedern, aber sie muss Grenzen haben", sagte Nahles. Laut der SPD-Generalsekretärin sollen sich Nichtmitglieder künftig bei Wahlen registrieren lassen, persönlich abstimmen und sich auch an den Kosten der Abstimmung beteiligen.
Über diesen Vorschlag will am Montag der SPD-Vorstand beraten. Am Wochenende wollen die Bezirksvorsitzenden darüber sprechen. Die SPD wäre die erste traditionelle Partei in Deutschland, die Nichtmitgliedern weitgehende Mitspracherechte einräumt.
Bis zu einem endgültigen Beschluss auf dem Parteitag im Dezember in Berlin wird jedoch noch mit heftigen Debatten gerechnet. Bei vielen Funktionären vor Ort formiert sich Widerstand. Nahles, die die Reformvorschläge erarbeitet hat, zeigte sich kampfbereit: Sie habe die "Rüstung schon angelegt".
"Begeisterung wird sich in Grenzen halten"
Hans-Peter Bartels, Kieler SPD-Bundestagsabgeordneter, äußerte heftige Zweifel an dem Vorhaben. Zum einen widerspreche eine für Nichtparteimitglieder offene Kandidatenkür "schlicht dem Wahlgesetz", so Bartels zur taz. Die Parteispitze müsse erläutern, ob sie also "das Wahlgesetz ändern" wolle oder ob ihr nur "symbolische, unverbindliche Empfehlungen für Kandidaten" vorschweben. Vor allem aber fürchtet Bartels eine Entwertung der SPD-Mitgliedschaft. "Die Begeisterung in der Partei über diese Aushöhlung der Rechte der Mitglieder wird sich in Grenzen halten", sagte Bartels. Keine Parteireform dürfe die Mitgliedschaft entwerten.
In der Kanzlerkandidatenfrage plädiert der SPD-Politiker, der zu der Gruppe der Netzwerker zählt, für eine Urwahl, bei der aber nur SPD-Genossen abstimmen sollen. Damit hat die Partei bereits Erfahrung. Schon 1993 wurde der damalige Kanzlerkandidat Rudolf Scharping von der SPD-Basis gewählt. Bartels wies darauf hin, dass die SPD-Mitglieder schließlich auch den Wahlkampf für den Kanzlerkandidaten bestreiten. SR
Leser*innenkommentare
Hasso
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Wenn man keine Werte mehr hat, muss man sich welche suchen, die "diese Werte" bestätigen.Seit der "Schröder-Gang" ist die SPD für mich nicht mehr wählbar. SPD wählen heißt: Bonzen wählen! Merkel führt diese Schröder-Politik weiter-, ja weitet sie noch sozial schädlicher aus. Beide sind nicht wählbar-, jedenfalls nicht für den Kleinbürger. Und der "Großbürger" wird sich auch bald von denen entfernen, weil diese Politik ungeahnte Folgen bringt. Wer "angst" vor den Bonzen hat, darf nicht regieren. Und wer ständig Sozialkürzungen vornimmt um den Bonzen zu gefallen ist keine Volkspartei.Demokratie heißt Volksherrschaft und nicht Bonzen-Herrschaft.
Izmir Übuel
Gast
1994 wollte ich in die SPD eintreten, um mich politisch zu engagieren. Also schickte ich einen entsprechenden Aufnahmeantrag an den SPD-Landesverband Berlin. Nach mehreren Wochen - ich hatte das Ganze mittlerweile schon fast wieder vergessen - erhielt ich die Mitteilung, dass meine "Bewerbung" an die "zuständige Abteilung Charlottenburg zur Beschlussfassung" weitergeleitet worden sei. Daraufhin habe ich meinen Aufnahmeantrag mit der Begründung zurückgezogen, dass ich eigentlich Mitglied einer politischen Partei werden wollte, und nicht einer Behörde. Seitdem wundere ich mich über die Unattraktivität der SPD für junge Menschen nicht mehr, zumal ich nicht den Eindruck habe, dass sich an diesen bürokratischen Strkturen wirklich etwas geändert hat.
Volker Rockel
Gast
Als SPD-Mitglied lehne ich es entschieden ab, dass künftig SPD-Kanzlerkandidat sowie die Bewerber der SPD für Landratsposten, Bundestags- und Landtagsmandate per Urwahl nicht nur durch SPD-Parteimitglieder, sondern auch durch Sympathisanten ohne Parteibuch bestimmt werden.- Offensichtlich scheint in der SPD-Parteispitze eine Desorientierung zu diesem Thema zu bestehen und der Mitgliedschaft in der Partei zunehmend keine Bedeutung mehr beigemessen zu werden...
Weinberg
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Die liebe Frau Nahles – als Hilfssteuerfrau auf dem langsam aber sicher sinkenden SPD-Schiff!
Der Partei, die zu Zeiten von Willy Brandt noch sozialdemokratisch war, helfen keine neuen Wahlregeln. Wie wäre es mit einer Abkehr von der neoliberalen Politik?
History
Gast
Richtigstellung zu Scharping:
Scharping hatte nicht die Mehrheit in der damaligen SPD-Mitgliederbefragung. Erst eine Stichwahl hätte gezeigt, auf wen sich die Mehrheit der SPD-Mitglieder einigt. Nur durch den Verzicht beider im ersten Wahlgang unterlegenen Kandidaten wurde Scharping gekürt, was bereits damals als Fehler zu erkennen war.