SPD-Kandidatenkür in Schleswig-Holstein: Bewerbung als Juniorpartner
Es ist ehrenwert, dass die Kieler SPD-Chefin Midyatlı ihre Ambitionen zurückstellt, aber ein SPD-Abziehbild wird den CDU-Amtsinhaber kaum schlagen.
Er ist der Beste – findet sie: Serpil Midyatlı stellt Thomas Losse-Müller in Kiel vor Foto: Axel Heimken/dpa
Die Überraschung war schon wieder verpufft: In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Thomas Losse-Müller Schleswig-Holsteins SPD in den Landtags-Wahlkampf führen soll. Ein Ex-Grüner also – und nicht die eigene Landes- und Fraktionschefin Serpil Midyatlı. Wenn die SPD-Pressekonferenz am Sonntag dennoch mit einiger Spannung erwartet wurde, dann vor allem wegen der Frage nach dem Warum.
Sprechen private Gründe gegen eine Spitzenkandidatur der Partei-Senkrechtstarterin? Traut ausgerechnet im Land der ersten Ministerpräsidentin Heide Simonis nun die Frau, die stets den „Erstzugriff“ für sich reklamiert hatte, sich den Job an der Spitze doch nicht zu? Oder ist die SPD, ist das Land noch nicht bereit für die erste Spitzenkandidatin mit Migrationsgeschichte?
Midyatlı hatte eine viel einfachere und viel weniger spektakuläre Erklärung: Sie habe nach der am besten geeigneten Person gesucht – und sie in Thomas Losse-Müller gefunden, das betonte sie nun gleich drei Mal. Dafür hat sie den Mann, der zwar schon unter ihrem Parteifreund Torsten Albig Staatskanzleichef war, aber erst im vorigen Herbst von Grün zu Rot gewechselt ist, gründlich gecastet: Sie ließ ihn federführend das SPD-Wahlprogramm schreiben.
Sie habe bei ihrer Wahl zur Parteichefin einen anderen Politikstil versprochen, sagt Midyatlı. Die Kandidatur-Entscheidung sei nun der Beweis dafür: Sie stelle eben nicht sich selbst in den Vordergrund, sondern schaue, was für die Partei und für das Land am besten sei. Und das sei nun mal der Mann, der „alle Stakeholder“ im Land kenne und „aus dem Maschinenraum“ der Wirtschaft komme.
Wenn bloß auch Männer so uneitel entschieden!
Das klingt alles höchst rational. Man würde sich wünschen, dass auch Männer gelegentlich so entscheiden. Aber auch, dass derart uneitles Verhalten die künftige Landespolitik überhaupt prägt.
Und das ist ein Dilemma: Im Ergebnis führt Midyatlıs ehrenwerter Verzicht dazu, dass die SPD den Wähler:innen keine starke Alternative zu Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) anbietet, sondern eher mehr vom Gleichen: Beide sind fast gleichaltrige, weiße Akademiker mit langjähriger Erfahrung im Politikbetrieb, Typ Schwiegermutters Liebling. Und Losse-Müller mag exzellent vernetzt sein, ist aber im Land weithin unbekannt und muss sich gegen einen Amtsinhaber profilieren, mit dem derzeit 70 Prozent der Schleswig-Holsteiner:innen zufrieden sind.
Da wirkt es fast, als bewürbe sich die SPD um die Rolle des Juniorpartners – für die Grünen.
SPD-Kandidatenkür in Schleswig-Holstein: Bewerbung als Juniorpartner
Es ist ehrenwert, dass die Kieler SPD-Chefin Midyatlı ihre Ambitionen zurückstellt, aber ein SPD-Abziehbild wird den CDU-Amtsinhaber kaum schlagen.
Er ist der Beste – findet sie: Serpil Midyatlı stellt Thomas Losse-Müller in Kiel vor Foto: Axel Heimken/dpa
Die Überraschung war schon wieder verpufft: In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Thomas Losse-Müller Schleswig-Holsteins SPD in den Landtags-Wahlkampf führen soll. Ein Ex-Grüner also – und nicht die eigene Landes- und Fraktionschefin Serpil Midyatlı. Wenn die SPD-Pressekonferenz am Sonntag dennoch mit einiger Spannung erwartet wurde, dann vor allem wegen der Frage nach dem Warum.
Sprechen private Gründe gegen eine Spitzenkandidatur der Partei-Senkrechtstarterin? Traut ausgerechnet im Land der ersten Ministerpräsidentin Heide Simonis nun die Frau, die stets den „Erstzugriff“ für sich reklamiert hatte, sich den Job an der Spitze doch nicht zu? Oder ist die SPD, ist das Land noch nicht bereit für die erste Spitzenkandidatin mit Migrationsgeschichte?
Midyatlı hatte eine viel einfachere und viel weniger spektakuläre Erklärung: Sie habe nach der am besten geeigneten Person gesucht – und sie in Thomas Losse-Müller gefunden, das betonte sie nun gleich drei Mal. Dafür hat sie den Mann, der zwar schon unter ihrem Parteifreund Torsten Albig Staatskanzleichef war, aber erst im vorigen Herbst von Grün zu Rot gewechselt ist, gründlich gecastet: Sie ließ ihn federführend das SPD-Wahlprogramm schreiben.
Sie habe bei ihrer Wahl zur Parteichefin einen anderen Politikstil versprochen, sagt Midyatlı. Die Kandidatur-Entscheidung sei nun der Beweis dafür: Sie stelle eben nicht sich selbst in den Vordergrund, sondern schaue, was für die Partei und für das Land am besten sei. Und das sei nun mal der Mann, der „alle Stakeholder“ im Land kenne und „aus dem Maschinenraum“ der Wirtschaft komme.
Wenn bloß auch Männer so uneitel entschieden!
Das klingt alles höchst rational. Man würde sich wünschen, dass auch Männer gelegentlich so entscheiden. Aber auch, dass derart uneitles Verhalten die künftige Landespolitik überhaupt prägt.
Und das ist ein Dilemma: Im Ergebnis führt Midyatlıs ehrenwerter Verzicht dazu, dass die SPD den Wähler:innen keine starke Alternative zu Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) anbietet, sondern eher mehr vom Gleichen: Beide sind fast gleichaltrige, weiße Akademiker mit langjähriger Erfahrung im Politikbetrieb, Typ Schwiegermutters Liebling. Und Losse-Müller mag exzellent vernetzt sein, ist aber im Land weithin unbekannt und muss sich gegen einen Amtsinhaber profilieren, mit dem derzeit 70 Prozent der Schleswig-Holsteiner:innen zufrieden sind.
Da wirkt es fast, als bewürbe sich die SPD um die Rolle des Juniorpartners – für die Grünen.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
Themen
mehr von
Jan Kahlcke