piwik no script img

SPD-Justiziarin zu Freihandelsabkommen„Bestehende Gerichtshöfe nutzen“

Katarina Barley ist Justiziarin der SPD-Fraktion. Sie sieht eine Alternative zu den umstrittenen Schiedsgerichten in den Freihandelsabkommen TTIP und Ceta.

„Die private Schiedsgerichtsbarkeit wird von der Bevölkerung nicht akzeptiert“, sagt Barley. Anti-TTIP-Protest in Berlin 2015 Bild: reuters
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Frau Barley, die Auseinandersetzungen über die Schiedsgerichtsbarkeit bei den Freihandelsabkommen Ceta und TTIP haben die SPD kalt erwischt. Ist die SPD nun dafür oder dagegen?

Katarina Barley: Die SPD ist grundsätzlich für Investorenschutz, wenn er vor willkürlicher und diskriminierender Behandlung durch den jeweiligen Staat schützt. Die SPD will aber verhindern, dass Investorenschutz dazu genutzt wird, legitime demokratische Gesetzgebung, zum Beispiel im Umweltschutz und bei sozialen Rechten, auszuhebeln.

Warum brauchen kanadische und amerikanische Investoren einen anderen Schutz als einheimische und europäische Investoren?

Teilweise ist ihre Situation objektiv schlechter. So können amerikanische und kanadische Unternehmen keine Grundrechte beim Bundesverfassungsgericht einklagen.

Sind Sie deshalb dafür, dass ausländische Investoren bei Schiedsgerichten klagen können?

Nein, die Staaten dürfen bei so sensiblen Fragen nicht einen Teil ihrer Souveränität aufgeben. Es kann nicht sein, dass wenige spezialisierte Anwälte Schiedsgerichte bilden und mit ihren Urteilen die Staaten zu milliardenschweren Schadensersatzzahlungen an private Investoren verurteilen. Diese private Schiedsgerichtsbarkeit ist weder sinnvoll, noch wird sie von der Bevölkerung akzeptiert.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat als Wirtschaftsminister vorgeschlagen, stattdessen einen Internationalen Handelsgerichtshof einzurichten. Was halten Sie davon?

Das ist ein guter Vorschlag. Ein Handelsgerichtshof würde von den beteiligten Staaten geschaffen und wäre damit demokratisch legitimiert. Allerdings dürfte es einige Jahre dauern, bis ein derartiger Gerichtshof arbeitsfähig ist. Für das fertig ausgehandelte Ceta-Abkommen käme ein neuer Handelsgerichtshof eventuell zu spät.

Bild: SPD
Im Interview: Katharina Barley

Barley ist seit dem Jahr 2013 Justiziarin der SPD-Bundestagsfraktion. Die promovierte Juristin arbeitete zuvor unter anderem als Richterin in Trier und in Wittlich.

Lehnen Sie den Vorschlag deshalb ab?

Nein, wir sollten den Handelsgerichtshof in Ceta als Option verankern, die genutzt werden kann, sobald der neue Gerichtshof eingerichtet ist. Bis dahin brauchen wir aber eine Übergangslösung.

Was schlagen Sie vor?

Wir sollten bereits bestehende nationale und supranationale Gerichtshöfe nutzen. Kanadische Investoren könnten dann beim Europäischen Gerichtshof klagen. Europäische Investoren, die sich in Kanada benachteiligt fühlen, könnten beim kanadischen Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, klagen.

Was sind die Vorteile dieser Lösung?

Beide Gerichte existieren bereits und sind sofort einsatzfähig. Sie sind in der Bevölkerung und bei Unternehmen bekannt und anerkannt. Sie können auch dafür sorgen, dass sich die Investoren-Rechtsprechung gut in die sonstige Rechtsprechung einfügt.

Wenn der Vorschlag so viele Vorteile hat, warum sollte er nur übergangsweise umgesetzt werden?

Im Verhältnis zu Kanada und wohl auch zu den USA wäre eine Dauerlösung sinnvoll. Das Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada soll aber das Muster für viele neue Handelsabkommen werden, zum Beispiel mit China und Russland. Es geht mittelbar also auch um den Schutz europäischer Unternehmen in Staaten, in denen viele schon schlechte Erfahrungen gemacht haben. Dort kann von europäischen Investoren nicht verlangt werden, auf den jeweiligen Obersten Gerichtshof zu hoffen. Deshalb brauchen wir am Ende eben doch einen Internationalen Handelsgerichtshof.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Danke - vier Juristen - sechseinhalb Meinungen -







    Der Kronjurist der SPD - als sie diesen Namen noch



    verdiente - war Hermann Heller - der geniale Gegenspieler des



    Kronjuristen der Nazis Carl Schmitt



    ( aka Der Führer schützt das Recht)







    Hermann Heller - Juristen seines Kalibers -



    fehlen - und zwar bitter.



    Wie den SPezialDemokraten



    der Arsch auf Grundeis geht,



    macht dieses Interview mehr als deutlich.







    "… So können amerikanische und kanadische Unternehmen keine Grundrechte beim Bundesverfassungsgericht einklagen.…"



    Na das ist ja eine geradezu bahnbrechende Erkenntnis angesichts



    jahrelanger Geheimverhandlungen;)))



    ("Wer kann was von wem woraus" - als Rückgrat allen Rechts



    lernt frauman - und die Frau Justiziarin dürfte da keine Ausnahme bilden -



    frauman hoffentlich schon im ersten Semester.)







    Der - deus ex machina-Idee -



    (als Augenwischerei aus dem Hut gezaubert -)



    könnte ja gutwillig prüfend näher getreten werden;



    WENN - ja wenn dabei nicht - und so auch hier -



    kackfrech unterschlagen würde -







    DASS DAS LOBBYING DIREKT IN DAS



    GESETZGEBUNGSVERFAHREN



    IMPLANTIERT WERDEN SOLL/WIRD.







    kurz - was hier mit dicker Hose als demokratische Legitimation



    via Rechtsprechung ausgelobt wird -



    ist zuvor bar aber auch jeglicher



    demokratischer Legitimation



    einkassiert worden -



    Eine Mogelpackung - schlimmster Sorte -



    bei der selbst für die vom Industriellen Komplex



    via Lobbying nicht verhinderten



    "Restekrümel" - auch noch beiseite,



    vom Tisch gefegt werden sollen.



    Ein Hermann Heller hätte euch das fulminant



    um die Ohren gekloppt. Zu recht.



     

  • Man sieht dem Interview an, dass die SPD nicht einmal das Problem verstanden hat (oeder es ignoriert): Es ist schlicht nicht notwendig, Investoren in Deutschland vor willkürlichen Enteignungen zu schützen, weil Willkür natürlich illegal ist und es dagegen selbstverständlich Rechtsschutz gibt. Worum es geht, ist der Schutz vor einer Schmälerung von Gewinnerwartungen. Unabhängig von dem angerufenen Gericht (und sei es auch der EuGH statt einer Ansammlung schiedsgerichtlicher Witzfiguren) ist nach deutschem Recht in diesen Fällen eben kein primärer Schadensersatz möglich. Das aber ist es, was diejenigen stört, die - wie die profesionellen Umfaller von der SPD - die deutsche Rechtsordnung den US-Konzernen auf dem Silbertablett servieren wollen.

    • @Thorsten Koch:

      Dem ist aber auch gar nichts hinzuzufügen.

      Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, warum das Ganze, TTIP, TISA, CETA, nicht endlich als das begriffen wird, was eben werden soll: Eine komplette Unterwerfung der Staaten unter das Großkapital.