SPD-Fraktion billigt die Änderung des Asylrechts

■ Deutliche Mehrheit bei Probeabstimmung / Klose darf Fraktionschef bleiben

Bonn (taz) – Mit 133 Ja-, 96 Neinstimmen und zwei Enthaltungen billigte gestern die SPD-Fraktion den neuen Grundrechtsartikel 16a, der im Dezember letzten Jahres zwischen SPD und Regierungsparteien ausgehandelt worden war. Damit steht fest, daß heute im Bundestag die nötige Zweidrittelmehrheit für den „Asylkompromiß“ zustande kommt, der den alten Artikel 16 („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) ablösen wird.

Die Fraktion hatte nach mehr als dreistündiger Diskussion, der Befürworter wie Gegner Fairneß und Sachlichkeit bescheinigten, namentlich über die Neufassung abgestimmt. Zuvor war in einer offenen Alternativabstimmung ein Antrag der Fraktionslinken gegen den Asylkompromiß mit 64 zu 110 Stimmen unterlegen, 24 Abgeordnete hatten sich in dieser Abstimmung enthalten.

Mit einem knappen „Nein“ beantwortete Fraktionschef Hans- Ulrich Klose die Frage, ob ihn die Zahl der Neinstimmen überrascht habe. Er kann im Amt bleiben. Vor der Fraktion hatten neben der Fraktionsführung auch Interimsparteichef Johannes Rau und die Kandidaten um die Spitzenämter, Gerhard Schröder und Rudolf Scharping, für den neuen Asylartikel 16a und die entsprechenden Begleitgesetze geworben.

Spekulationen über wacklige Mehrheiten in der Fraktion hatten in den letzten Tagen zusätzliche Nahrung erhalten, weil auch Ex- Partei- und Fraktionschef Hans- Jochen Vogel die Gesetze öffentlich kritisiert hatte. Vor der Fraktion erklärte Vogel, daß er dem neuen Grundgesetzartikel zustimmen werde, aber bei seiner Kritik am Asylverfahrensgesetz bleibe. Vogel hatte zuvor die Abschiebungsregelung, die Rechtsmittel ausschließt, im neugefaßten Asylverfahrensgesetz als „verfassungswidrig“ bezeichnet. Die Bemühungen der SPD-Innenexperten, mit der Union zu einer weicheren Fassung des entsprechenden Art. 34a zu kommen, waren gescheitert.

Auch Befürworter des Asylkompromisses halten die jetzt vorgelegte Fassung für bedenklich. Die SPD wird deshalb heute in zweiter Lesung einen Änderungsantrag in den Bundestag einbringen, der mit Sicherheit keine Mehrheit finden wird. Trotzdem wird die Mehrheit der Fraktion dem Asylverfahrensgesetz, für das eine einfache Mehrheit ausreicht, zustimmen. Gerhard Schröder, Bewerber um Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur, sagte vor der Fraktionssitzung: „Wenn man davon ausgeht, daß der Drittstaat für das Verfahren zuständig ist, muß man dieses Defizit wohl hinnehmen.“ Auch Rudolf Scharping sprach sich für eine Zustimmung aus. Heidi Wieczorek-Zeul, die sich um den Parteivorsitz bewirbt, lehnte in der Fraktionssitzung dagegen den Asylkompromiß ab.

Gerüchte, einige Abgeordnete seien in den letzten Tagen unter Druck gesetzt worden, wies die Fraktionsführung von sich. Auf niemanden sei Druck ausgeübt worden, sagte Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck, es handle sich um eine Entscheidung, die jeder nach seinem Gewissen treffen müsse. Unverkennbar haben vor allem in den Wochen nach dem Engholm-Rücktritt für viele Abgeordnete auch Erwägungen eine Rolle gespielt, die mit dem Asylrecht nur entfernt zu tun haben. Günter Verheugen aus der Fraktionsgeschäftsführung bezeichnete das neue Recht als schlecht, er stimme aber trotzdem zu. „Jedermann weiß, daß eine Mehrheitsentscheidung gegen den Kompromiß politische Folgen für das Ansehen der SPD in den nächsten Monaten hat“, wiederholte auch gestern Peter Struck.

Der Bundestag wird heute über den neuen Grundgesetzartikel 16a und die Begleitgesetze namentlich abstimmen. Tissy Bruns