SPD-Europaabgeordneter über TTIP: „So gut wie keine Annäherung“
„Ich bin weder für noch gegen TTIP“, sagt Bernd Lange, Europaabgeordneter der SPD. Er sieht vor allem viel Klärungsbedarf.
taz: Herr Lange, seit den jüngsten TTIP-Leaks, die Greenpeace veröffentlicht hat, werden die Kritiker ungewöhnlich hart attackiert. Die Rede ist von Hysterie und Panikmache. Wie sehen Sie das?
Bernd Lange: Nun ist die Position der USA endlich vollständig öffentlich geworden. Es wird deutlich, was ich seit Monaten sage: dass sich die USA immer gegen die Forderungen aus Europa gesperrt haben – und dass es so gut wie keine Annäherung gab.
Die EU-Kommission behauptet, die Leaks gäben nicht den aktuellen Verhandlungsstand wieder. Stimmt das?
Ja. Ich schätze, dass die Papiere den Stand von Ende 2015 wiedergeben. Seitdem ist auf unseren Druck hin einiges passiert, zum Beispiel bei der regulatorischen Zusammenarbeit: Den zunächst geplanten Regulierungsrat wird es so nicht geben. Wer wollte, konnte dies aber auch vor den Leaks schon wissen. Denn das Europaparlament hat durchgesetzt, dass die EU-Positionen im Internet stehen, dort kann man alles nachlesen.
Der US-Handelsbeauftragte Michael Froman behauptet, dass Bewegung in die Verhandlungen gekommen sei. Stimmt das?
Bisher hat man sich nur darauf verständigt, dass Umwelt- und Sozialgesetze keine Verletzung der Rechte von Investoren darstellen – das sogenannte Right to Regulate. Doch der von uns geforderte öffentliche Gerichtshof mit Revisionsmöglichkeit ist ein rotes Tuch für die Amerikaner. Deshalb könnte es gut sein, dass es am Ende gar keinen zusätzlichen Investitionsschutz gibt.
60, war früher Lehrer. 1994 wurde der SPD-Mann erstmals ins Europäische Parlament gewählt. Er ist Vorsitzender des Handelsausschusses des EP.
Was wird aus dem Vorsorgeprinzip bei Lebensmitteln und Gesundheit, das in der EU gilt?
Das bleibt, daran kann man nicht rütteln. Schließlich ist dies auch im Welthandelsabkommen Gatt und im Lissabon-Vertrag der EU verankert. Die Leaks waren in dieser Frage nicht vollständig. Das gilt auch für die Gentechnik: Davon ist nur im US-Text die Rede, nicht im europäischen. Wir verhandeln darüber gar nicht!
Einige Europaabgeordnete kritisieren, Sie hätten sich längst auf einen Deal mit den USA festgelegt. Was sagen Sie dazu?
Das ist völlig falsch. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich weder für noch gegen TTIP bin. Es geht darum, ein gutes Abkommen zu erzielen. Wie das aussehen soll, haben wir in einer Resolution des Europaparlaments am 8. Juli 2015 festgelegt. Das ist die Messlatte. Wir können das nicht unterlaufen, sondern müssen darüber springen – oder TTIP scheitert.
Mitunter behaupten Freihandelsgegner, Sie hätten mit der Resolution für TTIP gestimmt.
Auch das ist völlig falsch. Wir haben als Parlament viel mehr Anforderungen an das Abkommen gestellt. Keine Resolution zu verabschieden hätte bedeutet, die EU-Kommission ohne jedwede Auflage durch das Parlament allein verhandeln zu lassen – ein unhaltbarer Zustand. Diejenigen, die gegen die Resolution gestimmt haben, ignorieren das. Dies müssen wir in der öffentlichen Debatte dringend klarstellen.
Die Bundesregierung beharrt auf einem Abschluss noch in diesem Jahr. Ist das noch möglich?
Ich halte nichts von solchen zeitlichen Vorgaben. Kanzlerin Merkel hat auch schon gesagt, dass TTIP bis Ende 2015 fertig sein soll. Hier gilt wie im Straßenverkehr: Sicherheit vor Schnelligkeit.
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