SIMEON VON BULGARIEN WIRD SEINE VERSPRECHEN NICHT HALTEN KÖNNEN: Sieg der Irrationalität
Bei den Parlamentswahlen in Bulgarien haben nicht nur der ehemalige Zar Simeon II. und seine Nationale Bewegung gesiegt, sondern auch die Irrationalität. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Mehrheit der Menschen einem Mann nachläuft, dessen einzige Qualität ist, ein – wenn auch entthronter – König zu sein? Dessen Mannschaft keiner kennt und dessen Programm vager und verschwiemelter nicht sein könnte? Doch scheint wohl gerade darin das Erfolgsgeheimnis des Monarchen begründet zu liegen. Auf eine desaströse Politik der Exkommunisten, die das Land an den Rand des Zusammenbruchs brachte, folgte der Radikalreformer Kostow. Der machte zwar Bulgarien international hoffähig, aber leider die meisten Bulgaren ärmer. Da kommt ein König gerade recht. Als Kind aus der Heimat vertrieben und im Ausland zu neuen Würden und Reichtum gekommen, symbolisiert er genau das, wovon die meisten Bulgaren träumen. Und schon scheint auch der Mythos des Retters und Erlösers nicht mehr absurd, der dazu ausersehen ist, das Land in eine leuchtende Zukunft zu führen.
Die Rückkehr in die Realität dürfte für die Bulgaren schmerzhaft werden: Die Arbeitslosenquote liegt bei rund 18 Prozent, große Teile der Bevölkerung leben am Rande des Existenzminimums, und die Privatisierung hat gerade erst begonnen. Bulgarien ist wirtschaftlich noch längst nicht über den Berg. Und der Lebensstandard wird sich auch so bald nicht verbessern – weder heute, morgen noch, wie vom König angekündigt, in 800 Tagen. Stattdessen werden weitere Einschnitte nötig, sollte die Nationale Bewegung Simeons ihre glorreichen Versprechungen wirklich ernst nehmen und marktwirtschaftliche Reformen sowie die Anbindung an europäische Institutionen anstreben. Aber selbst nach solchen Vorleistungen dürften ausländische Investoren nicht in Scharen in das Land einfallen.
Das Dumme ist nur, dass gerade Simeon Erwartungen und Hoffnungen geweckt hat wie kaum ein bulgarischer Nachwendepolitiker vor ihm. Und seine Wähler wollen Ergebnisse sehen, und zwar schnell. Viel Zeit bleibt dem König daher nicht, will er nicht das gleiche Schicksal wie sein Vorgänger erleiden. Wie plötzlich die Bulgaren einen Wechsel erzwingen können, das haben sie übrigens vor vier Jahren bewiesen, als sie mit wochenlangen Straßenprotesten die Regierung kurzerhand hinwegfegten. So tickt die Zeitbombe. Und der Traum von der florierenden Monarchie, die eigentlich eine Republik ist, könnte bald ausgeträumt sein.
BARBARA OERTEL
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