SELBST BANALSTE EREIGNISSE GEFÄHRDEN DEN FRIEDEN IN NORDIRLAND: Randale ist immer
Weil sich zwei Frauen auf einem Gehweg angerempelt haben, brach in Nordbelfast eine der schlimmsten Straßenschlachten der letzten Jahre aus. Das ist die offizielle Begründung der nordirischen Polizei – als ob es völlig normal sei, dass nach einem derartigem Vorfall mehr als zwanzig Menschen verletzt sind, Autos in Flammen stehen und eine Grundschule geschlossen werden muss. Die alberne Analyse zeigt erneut, dass Nordirlands Polizei Teil des Problems in dem Konflikt ist.
Jahrzehntelang haben sich die Beamten aufgeführt wie eine protestantische Miliz. Sie haben Personalakten an protestantische Organisationen weitergegeben und Anschläge auf Katholiken nicht nur geduldet, sondern auch daran teilgenommen. Die groß angekündigte Polizeireform im vergangenen Herbst sollte aus der „Royal Ulster Constabulary“ eine neutrale, allseits geachtete Sicherheitskraft machen. Wegen des Säbelrasselns der Protestanten wurden die Reformpläne jedoch so verwässert, so dass am Ende nicht viel mehr als ein neuer Name – „Police Service of Northern Ireland“ – und ein neues Wappen übrig blieben. Die leitenden Beamten sind dieselben wie vorher. Warum soll ihnen die katholische Bevölkerungsminderheit plötzlich über den Weg trauen?
Natürlich sehen militante Protestanten den Friedensprozess als Niederlage, weil ihren Zugeständnisse abverlangt werden. „Ein protestantischer Staat für ein protestantisches Volk“, das war seit den Zwanzigerjahren die Parole der protestantischen Politiker, und diese Einstellung hat sich nicht nur beim extremistischen Presbyterianer-Pfarrer Ian Paisley bis heute gehalten. Eine Bevölkerungsmehrheit, die ein Land als Eigentum betrachtet, sieht sich bedroht, wenn sie die Minderheit an der Macht beteiligen soll. Die britische Regierung hat sich seit Beginn des Friedensprozesses vor klaren Entscheidungen gedrückt und stets auf das protestantische Säbelrasseln reagiert. Darauf setzen die Randalierer in Nordbelfast: Wenn sie die Sache eskalieren lassen können, bringt das vielleicht sogar die Mehrparteienregierung zu Fall. Es wäre nicht das erste Mal. RALF SOTSCHECK
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