S-Bahn-Chaos: Probleme mit Rädern seit 2003 bekannt
Die Führungskräfte verweigern die Aufklärung über das monatelange Chaos, meint die Deutsche Bahn. Jetzt soll eine externe Kanzlei den Fall aufrollen und dazu Mitarbeiter befragen. Entschädigungen für Kunden erhöht.
Manager der S-Bahn behindern die Aufklärung darüber, wie es zu den monatelangen Zugausfällen kommen konnte. "Wir stellen fest, dass die Auskunftsfreudigkeit da relativ beschränkt ist", sagte Ulrich Homburg, der im Konzernvorstand der Deutschen Bahn für den Personenverkehr und damit auch für das Tochterunternehmen S-Bahn zuständig ist. Zudem gebe es "eine Reihe von Lücken in der Dokumentation", so Homburg am Donnerstag.
Im Juni hatte das Eisenbahnbundesamt hunderte S-Bahn-Züge lahmgelegt, weil das Unternehmen die Räder der Fahrzeuge nicht so häufig wie zugesagt kontrolliert hatte. Wochenlang fielen große Teile des Verkehrs aus. Anfang September kam heraus, dass es auch massive Probleme mit den Bremsen gibt. Wieder fielen hunderte Züge aus. Auf der Stadtbahn zwischen Alexanderplatz und Bahnhof Zoo fuhr bis Anfang dieser Woche keine einzige S-Bahn. Die Deutsche Bahn versprach eine umfassende Aufklärung.
Laut Bahnmanager Homburg finden sich in internen S-Bahn-Unterlagen bereits im Jahr 2003 Belege, dass die Probleme mit den Rädern bekannt waren. Doch es sei völlig unklar, welche Konsequenzen die S-Bahn daraus zog. Homburg: "Wir fragen uns, auf welcher Grundlage die S-Bahn eigentlich so lange gefahren ist, obwohl es schon so früh Hinweise gab, dass die Radscheiben nicht dauerhaft fest sind."
Semesterticket: Die S-Bahn erlässt ein Sechstel der Kosten für ein Semesterticket der Studenten. Die Abwicklung übernehmen die Unis.
Sozialticket: Wer ein Sozialticket für Dezember hat, erhält im Januar 15 Euro in bar.
Monatskarte: Wer eine Karte mit flexiblem Anfangsdatum hat und sie im Dezember abstempelt, darf damit eine Woche länger fahren. Wessen Karte fix von Anfang bis Ende Dezember gilt, erhält im Januar 15 Euro in bar.
Einzelfahrkarte: An den vier Adventswochenenden gilt ein Einzelticket als Tageskarte.
Jahresticket: Wer die Kosten monatlich abbuchen lässt, für den fällt einmal eine Abbuchung aus. Wer sich den Jahresbetrag einmalig vom Konto hat abbuchen lassen, erhält eine Rücküberweisung.
Nun will die Bahn rund 60 Mitarbeiter befragen, wie es zu den massiven Verfehlungen kommen konnte.
Bahn-Manager Homburg kündigte an, dass die einfachen Mitarbeiter keine Kündigung oder andere Repressionen fürchten müssten. Für ihn sei klar, dass das Versagen auf der Ebene des Managements stattgefunden haben müsse. Die Ermittlungen sollen von einer externen Kanzlei übernommen werden, und zwar "ohne Ansehen der Person oder ihrer Stellung", so Homburg. "Am Ende werden einzelne Personen zur Rechenschaft gezogen. Das ist klar."
Die Bahn könne etwa bei den S-Bahn-Managern einen Ersatz des von ihnen verursachten Schadens einklagen, so Homburg. Die Kosten bezifferte er auf rund 75 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Hinzu kommen strafrechtliche Konsequenzen. Mit bis zu fünf Jahren Haft können Manager bestraft werden, wenn sie durch grob pflichtwidriges Verhalten gegen die Sicherheitsvorschriften verstoßen.
Zudem erweiterte die Bahn am Freitag die Entschädigungen für ihre Kunden (siehe Kasten). Bisher sollten nur Kunden mit Jahreskarte eine Erstattung erhalten - jetzt schließt die Bahn auch Menschen mit Monatsticket oder Gelegenheitsfahrer mit ein. Alle Entschädigungen gibt es nicht nur für S-Bahn-Kunden, sondern auch für Tickets, die bei der BVG gekauft wurden. Die Opposition aus CDU, Grünen und FDP kritisierte die Entschädigung als viel zu niedrig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr