S-Bahn-Chaos in Berlin: Pfusch kann für die Bahn teuer werden
Bei der Berliner S-Bahn sollen seit fünf Jahren Wartungsprotokolle gefälscht worden sein. Der Schaden für die Deutsche Bahn könnte bis zu 200 Millionen Euro betragen.
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MÜNCHEN/HAMBURG afp | Im Skandal um das Berliner S-Bahn-Chaos lässt die verantwortliche Deutsche Bahn AG nun prüfen, ob Mitarbeiter Protokolle zur technischen Wartung gefälscht haben. Dies berichteten Focus und Spiegel am Wochenende.
Wegen zahlreicher technischer Mängel an Achsen und Rädern fahren in der Hauptstadt derzeit nur ungefähr ein Viertel der S-Bahnen. Der Bahnvorstand hat zugegeben, dass seit 2004 "systematisch gegen Tauschvorschriften bei Bremszylindern" an den S-Bahn-Wagen verstoßen worden sei. Jedoch seien die vorgeschriebenen Kontrollen in allen Wartungsprotokollen als "ordnungsgemäß durchgeführt" vermerkt und damit gefälscht worden. Bei fast 300 Zügen müssen laut Aufsichtsratskreisen womöglich bis zu 4.800 Bremszylinder ausgetauscht werden.
Der Spiegel berichtete unter Berufung auf "Insider", dass Mechaniker den Auftrag hatten, den "Materialeinsatz auf null" zu bringen. Zudem sind seit 2002 mehr als 40 Prozent der Stellen in der Instandhaltung abgebaut worden, um Sparauflagen der Deutschen Bahn zu erfüllen. Selbst notwendige Spezialwerkzeuge fehlten. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und eine Berliner Anwaltskanzlei sollen herausfinden, wer dafür verantwortlich ist, dass Wartungsprotokolle manipuliert wurden. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warf der Deutschen Bahn "verantwortungslose Einsparungen zugunsten höherer Gewinne" vor.
Die Deutsche Bahn könnten diese "Einsparungen" im Nachhinein noch teuer zu stehen kommen. Laut Focus räumte DB-Finanzvorstand Diethelm Sack nach Informationen aus Aufsichtsratskreisen intern ein, dass der Schaden für den Konzern im Extremfall zwischen 100 und 200 Millionen Euro liegen könne. Offiziell bestätigt die DB diese Summe allerdings nicht. Ein Sprecher nannte sie "völlig aus der Luft gegriffen".
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