S-Bahn-Ausschreibung in Berlin: „Wir stehen ja nicht unter Zeitdruck“
Die Abgabefrist für Angebote zur S-Bahn-Ausschreibung ist erneut verschoben worden. Als Grund wird die Regierungsbildung in Brandenburg genannt.
Zur Begründung verweist die Senatsverkehrsverwaltung auf den anstehenden „Verantwortungswechsel“ in der Landesregierung von Brandenburg, das neben Berlin beim S-Bahn-Betrieb schließlich mit drinhängt. Nach derzeitigem Stand der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und BSW soll das hier zuständige Infrastrukturressort in einer Woche an den Templiner Bürgermeister und Wagenknecht-Getreuen Detlef Tabbert fallen.
„Es geht bei dem Volumen der S-Bahn-Ausschreibung ja doch um einen größeren Happen“, heißt es auf taz-Nachfrage aus dem Haus von Berlins CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde. Und der neue BSW-Kollege im Nachbarland trage „am Ende des Tages auch Verantwortung“.
Tatsächlich handelt es sich bei der Vergabe nicht um irgendeinen, sondern einen richtig dicken Happen. In dem komplexen Vergabeverfahren sind der S-Bahn-Betrieb auf den Nord-Süd-Verbindungen sowie auf der Stadtbahn zwischen West und Ost ab den 2030er Jahren ausgeschrieben.
Allein 5,4 Milliarden für die Fahrzeuge
Hinzu kommt die Lieferung von bis zu 1.400 neuen S-Bahn-Wagen mit anschließenden Instandhaltungsleistungen. Anfang 2024 wurden allein die Kosten für die Fahrzeugbeschaffung auf 5,4 Milliarden Euro geschätzt, die weiteren Milliarden für den Betrieb waren dabei noch gar nicht enthalten.
Doch wie es so ist: Der gesamte Ausschreibungsprozess ist von Beginn an auch eine Geschichte des Scheiterns. Seit dem Start des Verfahrens 2020 noch unter Rot-Rot-Grün reiht sich eine Panne an die nächste Schluderei. Immer wieder wurde deshalb die Abgabefrist verlängert. Mal zog der französische Fahrzeuganbieter Alstom gegen die Ausschreibungsmodalitäten vor Gericht, mal sollten mit Blick auf die desolate Berliner Haushaltslage Finanzierungsaspekte noch einmal geprüft werden.
Dass zur Begründung der aktuellen Verschiebung der Amtswechsel im benachbarten Bundesland herangezogen wird, ist insofern zwar innovativ, aber auch wenig überzeugend. Immerhin war bereits unmittelbar nach der Landtagswahl in Brandenburg Ende September klar, dass der dortige CDU-Infrastrukturminister Rainer Genilke seinen Hut nehmen wird.
Die Union hatte die Wahl krachend verloren, der Gang in die Opposition war beschlossene Sache. Ebenso klar war, dass es bis mindestens Dezember dauern wird, bis in Potsdam eine neue Regierung steht. Bisher unbeeindruckt davon wurden seit der Wahl auch mehrfach und ohne Begründung neue Termine genannt, bis zu denen die Bewerber ihre Unterlagen einreichen sollen. Nun heißt es also: Potsdam ist schuld.
Vorbild BVG: Sehenden Auges in die Krise
„Die Argumentation ist absolut vorgeschoben und in keiner Weise nachvollziehbar“, ärgert sich dann auch der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Kristian Ronneburg. Es handele sich hierbei um eine „originäre Ausschreibung des Berliner Senats, die er auch selbst durchzuführen hat“, sagt Ronneburg zur taz.
In der Verkehrsverwaltung gibt man sich offiziell tiefenentspannt und teilt mit: „Wir stehen bei der Vergabe ja nicht unter Zeitdruck.“
Das sei schon eine dreiste Behauptung, sagen Bahnexpert:innen. So wäre auch ein Teil der S-Bahn-Flotte ordentlich in die Jahre gekommen. Deutliche Verzögerungen bei der Lieferung neuer Fahrzeuge hätten in einigen Jahren wohl vor allem eine Folge: Das Angebot auf den Strecken müsste reduziert werden. Die BVG macht es aktuell vor.
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