Russlands Aussenminister in Warschau: Versuch einer Verständigung

Russlands Außenminister Sergej Lawrow wirbt in Polen um Verständnis für Moskaus Sorgen vor einer US-Militärbasis an seiner Grenze. Polen seinerseits will Russlands Ängste zerstreuen.

Gute Mienen zum spannungsreichen Spiel: Polens Aussenminister Radoslaw Sikorski (r.) and sein russischer Kollege Sergei Lavrov (L) Bild: dpa

"Wir haben unsere Haltung zum amerikanischen Raketenschild nicht geändert", sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow gestern in Warschau, der Hauptstadt Polens. "Mit dem Raketen-Abwehrschild in Polen rückt das amerikanische Militärsystem an unsere Grenze vor. Damit setzt es das bisherige militärische Gleichgewicht zwischen den USA und Russland außer Kraft. Das können wir nicht ignorieren." Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hielt dagegen: "Wir werden vertrauensbildende Maßnahmen unternehmen. Sie sollen unsere Nachbarn davon überzeugen, dass das Raketenabwehrschild nicht gegen sie gerichtet ist. Unser Ziel ist größtmögliche Transparenz."

Der Besuch Lawrows in Polen war bereits vor einem halben Jahr abgesprochen worden. Damals hatte Polens frisch gewählter Premier Donald Tusk die Blockadehaltung der konservativen Vorgängerregierung unter Jaroslaw Kaczynski gebrochen und war nach Moskau gefahren. Politiker wie Publizisten sprachen von einem polnisch-russischen "Tauwetter" und einem "Durchbruch" für die EU. Vorbei.

"Trotz der Spannungen zwischen unseren beiden Ländern wollen wir den Dialog fortführen", versicherte Außenminister Sikorski nach dem Treffen mit seinem russischen Kollegen. Mehrere bilaterale Kommissionen hätten nach fast dreijähriger Pause wieder ihre Arbeit aufgenommen. Zudem werde Polen dem Nachbarn in allernächster Zeit konkrete Vorschläge zur weiteren Zusammenarbeit unterbreiten. Sikorski hatte in der Vergangenheit wiederholt von einer Möglichkeit gesprochen, russische Inspektionen der US-Militäranlagen in Polen zuzulassen.

Auch Lawrow zeigte sich gesprächsbereit. Schon in einem Artikel für die Gazeta Wyborcza hatte er nicht nur den Standpunkt Moskaus in der Georgien-Krise erläutert, in der sich Polen eindeutig gegen Russland positioniert hatte, sondern die Ängste Polens vor der Ostsee-Gaspipeline Nordstream zu zerstreuen versucht. Polen sei für Russland ein zu wichtiges Transitland, so Lawrow. Im letzten Jahr seien über 21 Millionen Tonnen russisches Öl durch Polen in den Westen geflossen. Moskau habe nicht die Absicht, diesen Hahn zuzudrehen. "Die Nordstream-Pipeline wird die Gasversorgung Polens nicht gefährden. Letztlich sitzen Energieproduzenten, Konsumenten und Transitländer doch in einem Boot." Im Falle des Raketenabwehrschilds sei Moskau zu weiterem Dialog und zum Einlenken bereit, wenn Polen und die USA zweifelsfrei nachweisen könnten, dass das in Europa stationierte US-Raketenabwehrsystem tatsächlich nicht das Verteidigungspotenzial Russlands außer Kraft setzen solle. "Zurzeit glaubt kein objektiver Beobachter, dass iranische Raketen eine Bedrohung für Europa, geschweige denn für die USA, darstellen", so Lawrow.

Noch am Mittwoch klangen die Töne aus Moskau ganz anders. Generaloberst Nikolai Solowzow, der Kommandeur der Strategischen Raketenstreitkräfte Russlands, drohte offen: Sollte Polen die US-Militärbasis bauen und dort die zehn Abwehrraketen stationieren, könne es von ballistischen Raketen in Russland ins Visier genommen werden. Auch Lawrow sparte noch vor zwei Tagen nicht mit scharfen Worten: Polen sei mit seiner Entscheidung für das Abwehrsystem zu "einem Element eines sehr gefährlichen Spiels" geworden. Warschau habe dafür Rache genommen, "dass wir die Osseten verteidigt haben", erklärte er in einem Interview mit der Zeitschrift Polska.

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