Russland und die Menschenrechte: Teilerfolg für Chodorkowski in Straßburg

Europas Menschenrechtsgerichtshof sieht nicht genug Beweise, dass das Verfahren gegen den Ex-Ölmagnaten politisch motiviert war. Die Haftbedingungen aber waren unwürdig.

Hinter Gittern im Gerichtssaal: Michail Chodorkowski während seines Prozesses in Moskau. Bild: Imagao/Kommersant/Mikheev

BERLIN taz | Der erste Prozeß wegen Betruges und Steuerhinterziehung gegen den russischen ehemaligen Öl-Magnaten Michail Chodorkowski war nicht politisch motiviert. Zu diesem Urteil kommt der Europäische Gerichthof für Menschenrechte, das am Dienstag veröffentlicht wurde. Zwar gebe es einen entsprechenden Verdacht, aber keine hinreichenden Beweise, hiess es zur Begründung.

Die Tatsache, dass Chodorkowskis politische Gegner oder Geschäftskonkurrenten von seiner Verhaftung hätten profitieren können, sei kein Hindernis einer Strafverfolgung, wenn es ernst zu nehmende Anklagepunkte gebe. Der politische Status garantiere keine Immunität, so die Strassburger Richter.

Demgegenüber stellte das Gericht fest, dass Russland mehrfach gegen Chodorkowkis Rechte verstossen habe und gab damit einem Teil der Grundrechtsbeschwerde statt. Das betrifft die Bedingungen, denen er vor Gericht und in der Untersuchungshaft ausgesetzt gewesen sei, die Dauer der Untersuchungshaft an sich sowie Verfahrensmängel im Zusammenhang mit seiner Festnahme.

So sei der Geschäftsmann und frühere Chef des zerschlagenen Jukos-Konzerns im Herbst 2005 auf weniger als vier Quadratmetern und mit mangelhaften Sanitäranlagen unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert gewesen. Zudem sei er, obwohl keines Gewaltverbrechens angeklagt, im Gerichtssaal einer erniedriegenden Behandlung ausgesetzt gewesen: er sei in einem Käfig dem Publikum vorgeführt worden.

Laut dem Urteil, gegen das Berufung eingelegt werden kann, sprach das Gericht dem Kremlkritiker ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro sowie 14.543 Euro für Gerichtskosten zu.

Michail Chodorkowski, einer der reichsten Männer Russlands, Förderer der Opposition und der bekannteste Gefangene Russlands, war unter dem Verdacht des Betruges und der Steuerhinterziehung im Oktober 2003 festgenommen und im Mai 2005 zu neun Jahren Straflager verurteilt worden. Im März 2009 begann der zweite Prozeß - unter anderem wegen der Unterschlagung von 218 Millionen Tonen Erdöl.

Dieser endete am 30. Dezember 2010 mit einer Verurteilung zu insgesamt 14 Jahren Haft, wobei die erste Strafe angerechnet wird. In der vergangenen Woche schmetterte das Moskauer Stadtgericht eine Berufung Chodorkowskis gegen seine Verurteilung ab und setzte das Strafmaß auf 13 Jahre herab. Bei der Anhörung hatte Chodiorkowski gesagt, dass er weder Gnade noch eine Strafverkürzung verlange. Ihm ginge es darum, durch die Aufhebung des Schandurteils Schaden vom russischen Justizwesen abzuwenden.

Ebenfalls in der vergangenen Woche stellte der 47jährige einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung. Er habe mehr als die Hälfte seiner Lagerhaft verbüßt und bitte deshalb um seine Entlassung. Zudem betonte Chodorkowski, dass er seine Schuld in beiden Prozessen nicht anerkenne.

Die Bitte Chodorkowskis sei eingegangen und werde geprüft, sagte eine Sprecherin des Moskauer Stadtgerichts. Chodorkowskis Anwälte betonten, dass es sich bei dessen Antrag nicht um ein Gnadengesuch bei Präsidenten handele. 2008 war Chodorkowski bereits mit einem ähnlichen Antrag gescheitert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.