Russland überzeugt: Die rote Maschine
Den WM-Gastgeber haben viele unterschätzt. Wer sind die Spieler, die nach dem 3:1 gegen Ägypten alles möglich erscheinen lassen?
Acht Tore, sechs Punkte. Die Mannschaft läuft und läuft und läuft. Russland ist plötzlich wieder wer. Der Zwerg ist auf dem Weg zum Fußballriesen. Das Team in Rot, es überholt die anderen, ohne einzuholen. Der Mittwoch ist Feiertag in Russland, die Sbornaja der Stolz des Landes. Warum es plötzlich läuft im Team? Nur einer weiß das wirklich. Doch Trainer Stanislaw Tschertschesow sagt es nicht.
Was er sagt sind Sätze, wie man sie seit Andrej Gromyko, dem legendären UdSSR-Außenminister, diesem kalten „Mister No“, nicht mehr gehört hat. Nach dem 3:1 gegen Ägypten sagte er: „Probleme gibt es bei uns nicht. Problem, das ist für uns ein Fremdwort.“ Ist es der Geist der Sowjetzeit, der die Roten während der WM ins Laufen bringt? Wer sind die Helden, die vollbringen, was niemand im weiten Universum für möglich gehalten hätte?
Da ist der alte Mann, der wie ein Baum in der Verteidigung steht. Laufen kann er ja nicht mehr so gut. Sergej Ignaschewitsch ist 39 Jahre alt. Er hat schon gespielt, da wurde in Russland noch mit Hammer und Sichel gegessen. Er war schon aussortiert. Doch Trainer Tschertschesow sah, dass es keinen besseren gibt, und holte ihn zurück. „Wir kommen alle aus der Sowjetunion“, so hat er das begründet. „Und die, die nach 1992 geboren wurden, sind Kinder ihrer Eltern und haben daher auch eine Beziehung zur Sowjetunion.“ Ignaschewitsch war am Dienstag der Verteidiger in der Schlacht von Sankt Petersburg. Am Tag vor dem WM-Finale wird er 40.
Und da ist Artjom Dzjuba, ein Sturmtank aus postsowjetischer Produktion. Es gibt niemanden, der je behauptet hätte, dass der Mann Fußball spielen kann. Roberto Mancini, sein Klubtrainer bei Zenit Sankt Petersburg hat nie verstanden, was er wert sein kann. Nach Tula in die zentralrussische Provinz wurde der Mann verliehen, da, wo das Herz von Putins Rüstungsindustrie schlägt. Niemand hat es für möglich gehalten, dass Dzjuba wirklich bei der WM zum Einsatz kommen würde. Doch Trainer Tschertschesow hat gesehen, wie der Mann in Tula umgerüstet worden ist. Jetzt steht er seinen Mann im Sturm.
Nicht zu vergessen ist auch Denis Tscheryschew. 27 ist er heute. Als er süße sechs war, hat man ihn nach Spanien geschickt. Von ihm weiß Russland, wie die anderen spielen. Er war in Gijon, bei Real Madrid und spielt heute bei Villareal. Vielleicht ist er der berühmteste Spion Russlands seit Rudolf Abel, der nach dem Weltkrieg das amerikanische Atomporgramm ausgekundschaftet hat. Geboren wurde Tschryschew in Nischni Nowgorod. Da werden die russischen Lastwagen der Marke GAZ gebaut. Denen kann kein Schlagloch etwas anhaben, die überrollen alles, was ihnen im Wege steht.
Vergessen wir auch nicht die anderen im Team! 23 glückliche Brüder sind es, wie das staatliche Nachrichtenportal r-sport schreibt. Am Mittwoch haben die Brüder noch gefeiert. Dann geht es weiter – zur Sonne, zur Freiheit!
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