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Russland baut Raketensystem ausDer Kreml will Kaliningrad aufrüsten

In seiner ersten programmatischen Rede an die Nation kündigt Russlands Präsident Dmitri Medwedjew einen harten außenpolitischen Kurs an und spart auch nicht mit Kritik an den USA.

Russlands Präsident Dmitri Medwedjew hielt seine erste programmatische Rede an die Nation. Bild: dpa

Russlands Präsident Dmitri Medwedjew hielt seine erste programmatische Rede an die Nation, die seit seiner Amtsübernahme im Mai mehrfach verschoben worden war. Anderthalb Stunden dauerte die Grundsatzrede, in der Medwedjew konkrete Ziele absteckte, die Politprominenz aus Duma, Föderationsrat und Kirche aber nicht nach dem Vorbild Wladimir Putins mit endlosen Zahlenreihen traktierte. Auf die US-Wahlen ging er nur beiläufig ein. "Wir hoffen, dass sich die neue US-Führung als unser Partner für eine vollwertige Zusammenarbeit mit Russland entscheidet", meinte Medwedjew, der dem US-Wahlsieger Barack Obama aber nicht namentlich gratulierte.

Gleichwohl nahmen die USA in der Rede einen zentralen Platz ein. Der Krieg in Georgien sei eine "barbarische Aggression" und Herausforderung für Russland gewesen, sagte Medwedjew. Die Nato hätte den Kaukasuskonflikt als Vorwand genommen, um ihre Kriegsschiffe in das Schwarze Meer zu entsenden. Das "lokale Abenteuer des Regimes in Tiflis" habe sich so zu einem Konflikt ausgeweitet, der die Effektivität der internationalen Sicherheitsstrukturen in Frage stelle. Medwedjews Kritik an "einseitigen und hochnäsigen US-Entscheidungen" gipfelte in der Schuldzuweisung, der Konflikt in Südossetien und die internationale Finanzkrise stammten aus "der gleichen Quelle".

Fast trotzig klang es, als der Kremlchef ankündigte, Russland werde vor dem Hintergrund der neuen geopolitischen Gemengelage den Kaukasus nicht aufgeben. Stattdessen wolle Moskau seine Friedenspolitik in dieser Region auch in den offenen Konflikten in Transnistrien und Nagorny Karabach umsetzen.

Russland werde von militärischen Blöcken eingekreist, meinte Medwedjew mit Blick auf die Nato-Erweiterung und US-Pläne, in Polen und Tschechien ein Raketenabwehrsystem aufzustellen. Im Gebiet Kaliningrad werde Russland daher das Raketensystem "Iskander" ausbauen und zur "Neutralisierung einsetzen". Eigentlich war geplant, die drei in Koselsk stationierten Divisionen der Raketenstreitkräfte bis 2010 abzuziehen. Diesen Beschluss machte der Kremlchef rückgängig und warnte die USA, man wolle das US-Raketensystem durch elektronische Störmaßnahmen neutralisieren.

Gleichzeitig betonte der Kremlchef, Russland werde sich nicht in einen neuen Rüstungswettlauf hineinziehen lassen. "Wir sind zu positiver Kooperation bereit und wollen gemeinsam gegen Bedrohungen vorgehen." Es sei nicht Russlands Ziel, sich in Selbstisolation zu begeben.

Innenpolitisch plädierte der Kremlchef für eine Verlängerung der Amtszeit des russischen Präsidenten auf sechs und der Legislaturperiode der Duma auf fünf Jahre. Diese Pläne dürfte das einflusslose Parlament auch demnächst umsetzen. Plänen der Bürokratie, das Internet zu überwachen, erteilte Medwedjew eine deutliche Absage. Auch sonst plädierte er für etwas mehr Pluralität und versprach, kleineren Parteien wieder Möglichkeiten einzuräumen, um zumindest ins Parlament zu gelangen.

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5 Kommentare

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  • F
    freerk

    die einfache Formel heißt:

     

    keine Abschirmraketen = keine Raketen in Kaliningrad

     

     

    manchmal ist es viel einfacher als man denkt.

  • M
    Maxxa

    Diese Reaktion von Rußland war doch zu erwarten. Erst wird der russische Bär von den USA in die Ecke getrieben und zum Kuschen gebracht, wie so lange seit 1989. Und wenn er aufbegehrt ist er der Böse. Ach ja, Kritik an den USA (diesbezüglich auch an Angela M. ) ist angebracht.Und die Rede von Medwedjew ist keine Absage an den Dialog mit den USA. Es kann auch eine Bestandsaufnahme sein. Und jetzt kann miteinander geredet werden. Im Gegensatz zum Angriffskrieger Bush und dem kalten Krieger MCCain beherrscht Obama nicht nur Kriegsrethorik gegenüber Rußland. Es bietet sich eine Chance auch für Europa, wie es sie seit langem nicht mehr gab. Jetzt muß nur noch Angela M. ihre bei Georgien gezeigte Einseitigkeit im aussenpolitischen Handeln gegenüber Rußland überwinden, und den Dialog der USA und Rußland unterstützen.

  • AP
    Adam Potocki

    Das KGB hatte das Fach Frieden nicht im Programm gehabt, das hat man schon daran gemerkt, dass die Rede von Medwjedjew zum großen Teil aus einem US-Bashing bestand. Die Clique in Kreml wird um jeden Preis das Feindbild der bösen USA erhalten wollen, denn nur so können sie sich in Russland behauptet, das KGB hat schon immer diese Strategie verfolgt und hat sich den Russen als ein Bollwerk gegen die Mächte des Bösen dargestellt.

     

    Obama wird ein sehr unangenehme Gegner für den Kreml, weil er nicht das aggressive Spiel des Kremls mitmachen wird und damit kann das KGB nicht umgehen, deswegen auch das Vorpreschen des Kreml, das in meinen Augen ein Zeichen der Schwäche ist.

  • MK
    Manuel Kielmannsegge

    Nato und Eu sollen sich nicht wundern, dass Russland in Ostpreußen aufrüstet. Die Nato hat alle Verhandlungen inbezug auf Raketen zu ihren Gunsten geführt. Polen und Tschechen sollen sich auch nicht wundern, dass sie bald Nachbar-raketen kriegen. Putin wird immer drastischer und ich kann das nachvollziehen. Den demokratischen EU-Ländern nach darf USA Russland mit Atomwaffen einkreisen. Alles im Namen der ,,Demokratie,, und der ,,Freiheit,, (kichern)

    Russlands Reaktion ist natürlich. Dass sich die EU-Länder von den USA erpressen lassen, ist ein weiteres Zeichen der EU-Schwäche gegenüber USA

  • MH
    Martin Hedrich

    Unsere Politik und Presse überschlägt sich wieder mal mit Unverständnis für die bösen Russen.

    Europa wäre gut beraten, wenn es seine ureigensten Sicherheitsinteressen vertreten würde, und dazu gehört insbesondere, dass man die Sicherheitsinteressen Russlands ernst nimmt. Dass Medwedjew hier hart ist, ist völlig angebracht. Auch wenn die USA wohl kaum ernsthaft an einen Erstschlag denken, allein die Möglichkeit dazu verändert politisches Gleichgewicht und Verhandlungspositionen dramatisch. Die Folgen der russischen Reaktion auf diese amerikanische Chicken-Game-Strategie werden wir als Europäer ausbaden müssen. Wann verfolgen unsere Politiker endlich unsere Interessen für einen friedlichen Kontinent, statt sich in Vasallentreue und Kalten-Krieg-Reflexen zu ergehen?