Russischer Auslandssender RT in den USA: Dein Agent, mein Agent
Der russische Nachrichtensender RT muss sich in den USA als „ausländischer Agent“ registrieren lassen. Moskau kontert mit einem neuen Gesetz.
Der russische Nachrichtensender RT (ehemals Russia Today) hat sich am Montag in den USA wider Willen als „ausländischer Agent“ registrieren lassen. Damit beugt sich der Sender dem US-Justizministerium. Noch in der vergangenen Woche hatte RT erklärt, gegen die Maßnahme vor Gericht ziehen zu wollen. RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan sagte, angesichts der Wahl zwischen einem Strafverfahren gegen den Sender und der Registrierung habe man sich für Letzteres entschieden.
Aus Moskau war schon in der vergangenen Woche angekündigt worden, in diesem Fall Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Am Mittwoch will die Duma laut russischen Medienberichten einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Abstimmung stellen (siehe Kasten).
Ein solches Gesetz würde vor allem die von der US-Regierung finanzierten Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty und Voice of America betreffen. Aber auch der private Kabelsender CNN könnte betroffen sein sowie der deutsche Auslandssender Deutsche Welle.
Am Mittwoch wird die russische Staatsduma in zweiter und dritter Lesung ein Gesetz verabschieden, auf dessen Grundlage ausländische Medien als „ausländische Agenten“ registriert werden können. Dies berichten russische Nachrichtenagenturen unter Bezug auf die stellvertretenden Parlamentssprecher Igor Lebedew und Petr Tolstoj. Russland reagiere damit „symmetrisch“ auf die Registrierung des Senders RT als ausländischer Agent in den USA, so der Minister für Kommunikationswesen, Nikolai Nikiforow.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Medien, die im Ausland registriert sind oder vom Ausland finanziert werden, mit dem Zusatz „ausländischer Agent“ registriert werden können. Sie sind dann verpflichtet, ihre Veröffentlichungen mit der Bezeichnung „ausländischer Agent“ zu kennzeichnen. Medien, die sich nicht an das neue Gesetz halten werden, werde die Akkreditierung entzogen, so Parlamentssprecher Tolstoj. Aller Wahrscheinlichkeit nach, so Tolstoj, werde das Justizministerium diese Registrierung vornehmen.
Welche Medien betroffen sein werden, ist noch unklar. Eine Pressesprecherin des russischen Außenministeriums sieht das Gesetz vor allem als „Gegenmaßnahme“ gegen US-Medien. Der Abgeordnete Andrei Isajew von der Partei „Einiges Russland“ meint dagegen, dass auch die Deutsche Welle betroffen sein könnte. Jan Ratschinskij von der Menschenrechts-NGO „Memorial“ kritisierte gegenüber der taz: „Dieses Gesetz ist demagogisch, propagandistisch und von Abgeordneten erarbeitet, die selbst Villen im Westen haben und ausländische Autos fahren“. (bc)
In den USA beruht die Registrierung als „ausländischer Agent“ auf einem Gesetz aus dem Jahr 1938 – damit sollte etwaige Propaganda Nazideutschlands in den USA kontrolliert werden. Bis heute sind aufgrund dieses „Foreign Agents Registration Act“ ausländische Regierungen, Parteien und Lobbyisten oder PR-Firmen in den USA verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Bekanntestes Beispiel in den USA ist China Daily, eine englischsprachige Zeitung der chinesischen Regierung. Einmal registriert, ist RT nun verpflichtet, halbjährlich seine Finanzquellen offenzulegen.
Das Vorgehen gegen RT steht im Zusammenhang mit den Ermittlungen über eine mögliche russische Einflussnahme auf die US-Wahlen vom vergangenen Jahr. RT wird vorgeworfen, im direkten Auftrag des Kreml immer wieder Falschmeldungen zu verbreiten, um so Einfluss auf die US-Innenpolitik zu nehmen.
Seit RT America 2010 an den Start gegangen ist, ist die Reichweite des Senders stark gewachsen, vor allem aufgrund einer engen Kooperation mit Youtube. RT America war 2013 der erste Youtube-Kanal, der über eine Milliarde Views für sich verbuchen konnte. Sogar frühere TV-Stars – wie der bekannte CNN-Moderator Larry King – fanden Unterschlupf bei dem russischen Auslandssender.
Im Wahlkampf 2016 war RT vor allem durch eine überaus kritische Berichterstattung über die demokratische Kandidatin Hillary Clinton aufgefallen. Ihre E-Mails, mutmaßliche Korruptionsfälle innerhalb der Clinton-Stiftung und der Vorwurf, mit militanten Islamisten unter der Decke zu stecken, bestimmten RTs Clinton-Berichterstattung. Im Vergleich dazu fielen die Berichte über den späteren Wahlsieger Donald Trump insgesamt eher neutral bis freundlich aus.
Position des Kreml nicht hinterfragt
Wie überall, wo RT Sender in der jeweiligen Landessprache betreibt, versteht sich auch RT America als Alternative zu den „Mainstreammedien“. Der Slogan in den USA: „Question more“ (sinngemäß: „mehr hinterfragen“). Was dabei regelmäßig nicht hinterfragt wird: Die Position des Kreml.
Während der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 berichtete RT ausschließlich die Moskauer Sichtweise – und handelte sich ein Eigentor ein, als die News-Moderatorin Liz Wahl schließlich vor laufender Kamera ihren Job quittierte: Sie könne nicht länger für einen Sender arbeiten, der die Aktionen des russischen Präsidenten Wladimir Putin schönrede.
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