Russische Klimaaktivist:innen: Geächtet, bedroht, aber noch da
Seit Beginn von Putins Krieg haben viele Umweltschützer:innen Russland verlassen. Andere versuchen, weiterzumachen.
Einer der letzten Aktivist:innen ist Wassili Petrow. Der Umweltexperte möchte nicht, dass sein wirklicher Name bekannt wird – aus Angst vor Repressionen. Seine Organisation wurde zum „ausländischen Agenten“ erklärt und ist seitdem Schikanen und Druck durch den Staat ausgesetzt.
Dennoch hilft Petrow regionalen Umweltschützer:innen bei ihren Projekten weiter. „In den Regionen können wir uns immer noch für ökologisches Bewusstsein engagieren, die Umweltgesetzgebung beobachten und Aktionen gegen Rechtsverletzungen organisieren – zum Beispiel gegen illegale Abholzung, Mülldeponien oder Bergbau“, sagt er. Auch Kampagnen für getrennte Müllsammlung oder Recycling seien noch möglich. „Wir können alles tun, was nicht unmittelbar staatliche Interessen berührt und die öffentliche Ordnung nicht stört“, so Petrow. Es gebe sogar öffentliche föderale und regionale Fördermittel für Umwelt-NGOs und -Aktivitäten. „Aber“, betont Petrow, „als, ausländischer Agent' ist es unmöglich, sie zu bekommen“.
Die „Agenten“-Fessel
Das „Gesetz über ausländische Agenten“ ist Ende vergangenen Jahres sogar erneut verschärft worden: Danach müssen Organisationen, die Geld oder Unterstützung aus dem Ausland erhalten (haben), dies öffentlich kenntlich machen. Zudem können sie nur noch eingeschränkt an Ausschreibungen teilnehmen, öffentliche Förderung ist auch unmöglich. Russische Bürger:innen, die mit ihnen zusammenarbeiten oder ihre Aktivitäten oder Meldungen veröffentlichen, müssen sogar Anklage befürchten.
Das war und ist ein Genickschlag für viele Umweltvereinigungen im Land. Sie waren vor allem in den vergangenen zehn Jahren entstanden. In fast jeder Region des Landes gab es Graswurzelbewegungen, die gegen Luft- oder Wasserverschmutzung, Industrieanlagen, eine schlecht funktionierende Deponie oder eine neue Müllverbrennungsanlage protestierten. Es gab auch NGOs, die sich für einen ökologischen Lebensstil oder nachhaltigen Konsum einsetzten, Bildungs- und Öffentlichkeitskampagnen und -veranstaltungen durchführten oder die Umweltmaßnahmen der regionalen Behörden beobachteten – und gegebenenfalls auch dagegen klagten.
Demokratieforscher hatten in diesen Organisationen lange die Grundlage für Veränderungen der Gesellschaft im Reich von Wladimir Putin gesehen. Aber mit Russlands Überfall auf die Ukraine wurde deutlich, dass sich diese Hoffnungen vorerst nicht erfüllen können. In den ersten Monaten des Kriegs sind praktisch alle zivilgesellschaftlichen Initiativen verstummt, viele Umweltaktivist:innen sind eingeschüchtert.
Repression wächst
Zwar arbeiten inzwischen einige von ihnen wieder. Aber laut der Umweltvereinigung Environmental Crisis Group, die die Verfolgung der Initiativen in der Russischen Föderation überwacht, wurden seit Kriegsbeginn insgesamt 17 Strafverfahren wegen Antikriegsaktivitäten eingeleitet, 6 Aktivist:innen bereits verurteilt. Allein im Jahr 2022 gab es danach mehr als 300 neue Fälle von Druck auf 239 Ökoaktivist:innen und auf 19 Organisationen in verschiedenen Regionen Russlands. Dabei wurden 16 Fälle von Strafverfolgung und 47 physische Angriffe registriert. 5 Organisationen wurden zu „ausländischen Agenten“ erklärt oder sogar als „unerwünscht“ deklariert. In diesem Jahr wurden bereits 5 Organisationen als „unerwünscht“ gebrandmarkt, darunter Greenpeace International und WWF International. Einem der prominentesten Aktivisten von Fridays for Future in Russland, Arshak Makichyan, wurde sogar im Februar die russische Staatsbürgerschaft entzogen. Im März protestierte er vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.
Darüber hinaus bildete sich in vielen Umweltgruppen ein Riss – eine Reihe von Aktivist:innen unterstützt nämlich den Krieg. Das führte intern zu ernsthaften Konflikten, viele Gruppen diskutierten nur noch über Umweltthemen, um die Kluft nicht zu vertiefen.
Viele zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich mit Umweltfragen beschäftigen, stehen derzeit vor der Entscheidung, ob sie mit staatsnahen oder direkt staatlichen Strukturen kooperieren sollen. Einige von ihnen beantworten diese Frage mit „Ja“. Einige Gruppen sammeln aber auch Geld per Crowdfunding und beauftragen Anwälte, um vor Gericht zu gehen.
Oder sie versuchen, die wenigen verbliebenen kritischen lokalen (oder föderalen) Medien oder Blogger zu finden, um auf Umweltprobleme aufmerksam zu machen. Zudem schreiben sie Appelle an den Präsidenten oder andere Politiker, starten Petitionen und öffentliche Kampagnen.
Vor zwei Wochen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde von russischen Klimaaktivist:innen und Anwält:innen akzeptiert. Sie fordern, dass Moskau seine Pläne zur Reduktion der Treibhausgasemissionen überprüft und mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Einklang bringt. Russland will derzeit bis 2030 seine Emissionen um 30 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Laut den Aktivist:innen ist das viel zu wenig. Es müssten 70 Prozent weniger bis 2030 und sogar 95 Prozent weniger bis 2050 sein, damit Russland das von ihm unterzeichnete Pariser Klimaabkommen erfüllen kann.
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